0159 - Der Engel, der ein Teufel war
Grollen, diesmal jedoch geradezu triumphierend, ein wildes Grollen, das tiefste satanische Zufriedenheit verriet.
Er stapfte wieder heran. Scharfe Klauen kratzten bei jedem Schritt über den Boden. Rolf Kress hielt den Atem an. Verwesungsgestank wehte über ihn weg. Der Unheimliche beachtete ihn nicht mehr.
Sekunden verstrichen, in denen Rolf Kress Todesangst ausstand. Er begann, leise zu zählen, und blieb weiterhin reglos liegen. Als er endlich bei Tausend angekommen war, öffnete er die Augen.
Er war wieder allein. Ringsum herrschte eine fürchterliche Unordnung. Die wertvollen antiquarischen Bücher, die Rolf Kress wie seine Augapfel hütete, lagen auf dem Boden verstreut, bildeten wirre Haufen, einzelne Blätter waren ausgerissen…
Ein Chaos.
Rolf Kress richtete sich auf. Sein Schädel brummte. Er starrte auf das Durcheinander, es war schlimm, aber wenigstens war er mit dem Leben davongekommen.
Der Unheimliche aber mußte gefunden haben, wonach er gesucht hatte.
Ein altes Buch…
Ein Buch, das für ihn von grausiger Bedeutsamkeit sein mußte, denn er hatte gewütet wie ein Berserker. Rolf Kress schüttelte den Kopf, sein Herz hämmerte wie verrückt gegen die Rippen.
»Mein Gott«, murmelte er nur immer wieder.
Das Böse aber, das ihn heimgesucht hatte, triumphierte!
Es hatte endlich jenes Buch gefunden, das in diesem teuflischen Spiel über Leben und Tod entschied…
Und über die ultimative Macht…
***
Rasend schnell glitt ich in die dunkle Tiefe hinunter!
Sehen konnte ich so gut wie nichts, denn die Finsternis, die hier herrschte, war absolut. Über mir verschwand ein fahler heller Punkt. Der Ausstieg. Es war fraglich, ob ich ihn je wieder finden würde, denn irgendwo unter mir lauerte der Tod.
Nein, ich machte mir keine Illusionen. Lavinia spielte mit gezinkten Karten, so daß ich mir ausrechnen konnte, daß sie gewaltig untertrieben hatte, was die Gefahr anbelangte, die denjenigen erwartete, der es sich erdreistete, den Schlüssel zur Alptraumburg erobern zu wollen.
Ich aber wollte genau das.
Tiefer und tiefer sank ich.
Ich hatte die Luft angehalten, und jetzt merkte ich, daß meine Lungen zu brennen begannen, ich wollte durchatmen, aber es ging nicht.
Meine Hände schabten plötzlich über feuchtes, glitschiges Moos.
Die Wände des Schachts, durch den ich hinuntersank.
Krampfhaft hielt ich weiter die Luft an, meine Brust zerriß schier unter der wahnsinnigen Anstrengung.
Immer kälter wurde das Wasser. Hin und wieder glaubte ich, winzige, gallertartige Partikel über mein Gesicht huschen zu spüren, aber das konnte ein Auswuchs meiner ziemlich gereizten Nerven sein.
Dann wieder fielen mir die Bewegungen ein, die ich vorhin gespürt hatte…
Die Zeit verging, und ich wußte plötzlich, daß ich die Luft nicht mehr länger würde anhalten können, meine Brust verzog sich krampfartig, ich mußte atmen, unbedingt!
Da spürte ich die blitzartige Bewegung direkt neben mir!
Instinktiv wollte ich ausweichen, aber das war in dem engen Schacht unmöglich! Ich knallte gegen die schleimüberzogene Wand, und die noch in meinen Lungen befindliche Luft wurde förmlich aus mir herausgedroschen.
Luftperlen wirbelten davon!
Ich schluckte Wasser, ekelhaftes, brackiges, eiskaltes Wasser!
Gleichzeitig wurde ich herumgewirbelt, denn etwas Großes, Geschmeidiges hatte mich an Händen und am Hals gepackt und zerrte mich mit sich…
Ich verlor die Orientierung, und wußte nicht mehr, wo oben und wo unten war. Alles verwischte, obwohl ich verbissen dagegen ankämpfte.
Vor meinen Augen blubberte und wallte das Wasser. Ich spürte noch mehr Bewegungen um mich herum, glaubte sogar ein hämisches Kichern zu hören, aber dieser Eindruck verging so schnell wieder, wie er gekommen war.
Dann durchlief mich ein eisenharter Ruck, ich würgte das Wasser, das ich geschluckt hatte, aus mir heraus, hustete, atmete tief durch, so, wie ich mir das noch vor ein paar Sekunden oder Ewigkeiten gewünscht hatte…
Und verstand die Welt nicht mehr!
Ich konnte atmen!
Ich riß mich hoch, sah, daß ich auf festem Boden lag in einem Kellergewölbe, das mit dem, das ich vorhin mit Lavinia betreten hatte, völlig identisch war! Nur das runde Loch im Boden fehlte.
Und natürlich die Tür, die ins Freie hinausführte.
Ich pumpte meine Lungen voll mit der abgestandenen Luft, die hier unten herrschte.
Alles war still. Totenstill.
Große Spinnenweben hingen von der Decke bis zum Boden herunter, als wollten sie sich mit dem
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