0159 - Der Engel, der ein Teufel war
angehängt hatte, erforderte totalen Einsatz, und den erbrachte er gerne, denn er war Buchhändler aus Leidenschaft.
Alles, was mit bedrucktem Papier zu tun hatte, hatte ihn schon von frühester Kindheit an fasziniert, und so schuftete er, ohne zu klagen.
Und seit ein paar Wochen hatte er ja auch tatkräftige Unterstützung, denn er hatte zwei Gleichgesinnte eingestellt: Ursula Rommelsbacher und Sigrid Schwenger. Zu dritt warfen sie den Laden, und trotz der vielen Arbeit hatten sie auch ihren Spaß. Mehr als einmal pro Woche setzten sie sich abends noch zusammen, tranken ein Gläschen Wein und unterhielten sich über alte Bücher, Schriftsteller und Gott und die Welt.
Rolf Kress legte den uralten Folianten beiseite, den er gestern abend von einem ziemlich heruntergekommenen Gesellen gekauft hatte, und flitzte los.
Das Knacken, das er vor ein paar Sekunden gehört hatte, ließ ihm keine Ruhe.
Außerdem: Irgend etwas war nicht so, wie es hätte sein sollen, das spürte er.
Rolf Kress erreichte die schmale Tür, seine Hand legte sich darauf.
Er war schlank, nicht zu groß, doch breit in den Schultern, und er war durchtrainiert. Wenn es darauf ankam, dann konnte er kräftig zulangen. Seine Wangenmuskeln spielten. Dann riß er die Tür auf!
Der kleine Lagerraum war dunkel. Staubpartikelchen tanzten in dem Licht, das jetzt durch die geöffnete Tür einfiel.
Niemand.
Er mußte sich getäuscht haben. Rolf Kress schüttelte den Kopf.
Dann sah er auf die Armbanduhr. In der nächsten Viertelstunde mußten seine beiden Partnerinnen antanzen, dann würde er sich automatisch wieder besser fühlen. Es war einfach etwas anderes, wenn man zu dritt war, sich unterhalten konnte…
Dieser Laden hier…
Na ja, er strahlte irgend etwas Düsteres aus. Vielleicht aber bildete er sich das auch bloß ein, weil er es sich einfach nicht mehr vorstellen konnte, hier den ganzen Tag solo herumzuackern.
Er wollte sich schon wieder abwenden und in den Verkaufsraum zurückgehen, als er die Bewegung bemerkte.
Ein Schatten!
Er veränderte sich…
Etwas formte sich daraus!
Rolf Kress starrte hin, es war, als würde er plötzlich unter Hochspannung stehen, aber er konnte sich nicht bewegen!
Sein Mund klaffte auf.
Der Schatten gewann urplötzlich an Gestalt. Ein großer, muskulöser Mann…
Aber das Gesicht…
Mein Gott, dieses Gesicht! durchfuhr es Rolf Kress! Sein Atem stockte!
Er wollte sich gewaltsam aus dem Bann, der ihn hielt, losreißen und sich herumwerfen, davonlaufen, wegrennen… Aber es ging nicht.
Der Unheimliche kam auf ihn zu!
Das Gesicht war eine fürchterliche Fratze, wie von Säure zerfressen, dort, wo früher die Nase gesessen haben mußte, klaffte ein Spalt, auf dessen Grund der blanke Knochen zu sehen war!
Ein ekelhafter Gestank strahlte von dem Wesen aus!
Da fuhr eine mit einem schwarzen, seidigen Fell überzogene Pranke vor und krallte sich in Rolf Kress’ Hemdkragen.
Wortlos drückte der Unheimliche zu!
Rolf Kress brach in die Knie, vor seinen Augen funkelten grellrote Sterne. Die Luft wurde ihm knapp, sein Bewußtsein zerfaserte förmlich, so sehr er sich auch daran festzuklammern versuchte.
Er begriff nichts. Warum wollte ihn dieses Wesen, das einem Alptraum entsprungen sein mußte, töten? Warum? Warum nur?
Er kippte seitlich weg, nachdem die Pranke losgelassen hatte.
Schwer schlug Rolf Kress mit dem Schädel auf, und benommen blieb er liegen.
Schritte.
Der Boden schien sich unter ihnen zusammenzukrümmen. Sie hallten und dröhnten.
Aber Rolf Kress verlor sein Bewußtsein nicht.
Ein dumpfes Poltern. Bücher, die brutal aus den Regalen gefetzt, kurz angestarrt und sodann zu Boden geschleudert wurden.
Warum?
Warum interessierte sich dieses ekelhafte Wesen für Bücher?
Und ausgerechnet für die uralten…?
Rolf Kress verhielt sich still, er atmete so flach er nur konnte, denn er ahnte, daß der Unheimliche ihn für tot hielt. Das hatte ihm bis jetzt das Leben gerettet.
Die Zeit vertickte.
Rolf Kress spürte, wie er wieder zu Kräften kam. Die Kehle schmerzte aber noch immer, und in seinem Schädel schien es nur Watte zu geben, so daß er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Instinktiv verhielt er sich richtig. Er blieb liegen, rührte sich nicht, stellte sich tot.
Plötzlich wurde ein dumpfes Grollen laut. Das Poltern hörte auf.
Eine unbeholfene Hand blätterte ein Buch durch, Rolf Kress kannte das Geräusch, das dabei entstand, genau. Brüchiges Pergament knisterte. Wieder das dumpfe
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