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016 - Herrin der Woelfe

016 - Herrin der Woelfe

Titel: 016 - Herrin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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erwiderte er: »Warum mussten Sie ihn auch unbedingt mitnehmen? Ich sagte Ihnen ja, es würde Schwierigkeiten geben.«
    »Ich denke, dass Ihnen das bisschen Publicity nicht schadet«, konterte sie, nicht weniger verärgert über seine Reaktion.
    »Welche Schwierigkeiten sollte das wohl bringen?«
    »Leute«, stellte er fest. »Neugierige, Schaulustige, Sensationslüsterne, vor denen nichts in Frieden existieren kann. Ich sage Ihnen, es wird Ärger geben, wenn die Menschen erst hierher kommen. Es gibt überall Ärger, wo Menschen sind.«
    Diese heftige Abneigung gegen die Menschen berührte sie seltsam. Oder war es – Furcht? Sie würde erklären, warum er nichts mit Zeitungsreportern zu tun haben wollte.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie.
    »Ich hoffte, Ihr Chef hält sich im Zaum. Immerhin haben Sie Verstand bewiesen, nicht gleich mit dem Roten in die Redaktion zu laufen. Das hatte ich eine Weile befürchtet, nachdem Sie abgefahren waren. Es wäre kein kluger Einfall gewesen.«
    Sie schluckte ihren Ärger hinunter. Statt einer Erwiderung fragte sie: »Haben Sie Besuch?«
    Er sah sie einen Augenblick starr an, dann sagte er: »Nicht mehr. Haben Sie sie noch gesehen?«
    Es schien ihr, als lauerte er auf die Antwort.
    Sie schüttelte verneinend den Kopf. »Nur den Wagen.« Und rasch fügte sie hinzu, als sie sein Erstaunen bemerkte: »Als ich vom Hügel herabfuhr. Ich habe übrigens seit Stunden keines der Tiere mehr gesehen. Wo sind sie?«
    »Draußen«, erklärte er. »Es treiben sich verdächtig viele Leute in der Gegend herum. In solchen Fällen lasse ich das Rudel raus, um zu wissen, was vorgeht.«
    »Wie wollen Sie das auf diese Weise erfahren?«
    »Sie geben Nachricht, wenn jemand das Grundstück betritt.«
    »Sie geben Nachricht?«
    »Ja, sie rufen«, sagte er ungeduldig.
    »Rufen? Heulen meinen Sie wohl?«
    »So würden Sie es nennen«, erwiderte er geringschätzig. »So spricht ein …«
    »Ein Werwolf?« unterbrach sie ihn grinsend.
    Überraschend ernst sagte er: »Verzeihen Sie, ich vergaß mich.«
    »Sie bleiben also noch immer bei Ihrer Theorie?«
    »Nicht bei meiner Theorie«, sagte er lächelnd, »sondern bei der Wahrheit. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen.«
    »Steht etwas Besonderes bevor?«
    »Spüren Sie es nicht? Morgen ist die Nacht des Vollmondes.«
    Mehrmals während der nächsten Stunden hörte sie einen Wolf heulen. Das Geheule kam von der Straße her. Sonst geschah nichts. Wenn tatsächlich jemand vorhatte, auf dem Grundstück herumzuschnüffeln, musste ihn das Wolfsgeheul sicherlich entmutigen. Sie erinnerte sich an ihr eigenes Eindringen und an ihre erste Begegnung mit Cuon und schauderte.
    Am Abend kam Cuon wieder und sah beinahe schuldbewusst drein, während sie ihn mit Vorwürfen bedachte.
    Als Alexis ihr das Abendessen brachte, fragte Thania ihn:
    »Kann es nicht passieren, dass die Tiere über einen Eindringling herfallen und ihn töten?«
    »Nein, Fräulein Lemar. Sie tun niemandem etwas.«
    »Aber dann wären sie ja zahm«, wandte sie ein.
    »Sie sind nicht zahm. Sie gehorchen nur ihrem Anführer. Sie töten nur, wenn Karel es ihnen befiehlt.«
    Sehr beruhigend fand sie diese Auskunft nicht.
     

     
    Das Knurren des Wolfs ließ sie in die Höhe schießen. Ihr Herz pochte wie rasend.
    Furcht verdrängte die wohlige Sattheit, die sie von innen her wärmte, wie heißer Tee an einem kalten Wintertag. Dann erst sah sie die Leiche zu ihren Füßen. Es war ein Junge. Zwölf vielleicht, nicht älter. Er war blond, seine Züge im Todesschrecken verzerrt, seine Augen glasig, die Pupillen nach oben verdreht. Sein Mund war zum Schrei geöffnet – stumm nun für immer. Seine Kehle war zerfetzt. Eine dunkle Nässe überzog alles. Blut. Auch an ihr. An ihrem Kleid, ihren Händen. Selbst in ihrem Gesicht fühlte sie die klebrige Substanz, an die so magisch das Leben geknüpft war.
    Sie musste ihn fortschaffen. Verzweifelt nahm sie den Jungen in die Arme und hob ihn hoch. Blut ergoss sich über sie.
    Ein Schrei weckte sie. Sie wusste instinktiv, dass nicht sie geschrieen hatte, sondern eine Frau.
    Thania fuhr hoch und lauschte atemlos. Einen Augenblick wehte die Nachtluft nur das Zirpen der Grillen und das Plätschern des Baches in den Raum. Dann hörte sie ihn wieder – den wimmernden Laut, gedämpft, wie durch eine verschlossene Tür. Es war deutlich erkennbar eine weibliche Stimme.
    Die Wölfe, dachte das Mädchen. Die Wölfe haben sie

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