016 - Herrin der Woelfe
seinen Griff und zog den Kopf in den Nacken, dass die Schlagadern wie Sehnen gespannt waren. Die Frau stieß einen wimmernden Laut aus.
Woiew musterte Thania mit einer Mischung aus Gier und Spott.
»Na«, sagte er heiser, »reizt das nicht den Wolf in dir, mein Engel?«
Hypnotisiert starrte Thania auf den weißen Hals der Frau, der fast gegen das Drahtgitter gepresst wurde. Sie empfand kein Mitleid, keine Sympathie, keine Abscheu, nur ein absurdes Verlangen.
Das Bild verschwamm vor ihren Augen. Sie hatte Mühe, klar zu sehen. Magisch fühlte sie sich angezogen. Sie sah das bleiche Fleisch so nah vor sich, die Schlagadern, in denen das Leben pochte.
Mit einem Knurren sprang sie auf das Gitter zu.
Woiew riss sein Opfer lachend zurück.
»Noch immer Zweifel?«
Keuchend hing Thania am Gitter. Hunger füllte ihr ganzes Bewusstsein, und ein wenig Entsetzen, das rasch schwand.
»Du musst dich gedulden, meine weiße Freundin«, sagte
Woiew. »Die hier ist für mich.«
Ein tiefes Grollen kam plötzlich aus seiner Kehle.
Blitzschnell beugte er sich vor und grub seine Zähne in den Hals der Gefesselten. Ihr Schrei erstarb in einem Gurgeln, als Woiews Kiefer zuschnappten. Blut spritzte über die sich wie verrückt gebärdenden Wölfe.
Woiew öffnete die Tür und stieß den Körper der Frau mitten unter die Bestien. Mit ekstatischem Geheul schlugen die Leiber wie eine Welle über ihr zusammen.
Thania sah mit weit aufgerissenen Augen zu, die Finger um das Gitter gekrallt, das sie von der grausigen Mahlzeit trennte.
Ein Schluchzen kam aus ihrer Kehle. Sie heulte vor Wut und Enttäuschung. Der Geruch von Blut machte sie rasend.
Wie von Sinnen rüttelte sie am Gitter.
Woiew stand mit blutverschmiertem Gesicht vor ihr, immer noch bis aufs äußerste erregt.
»Hungrig, wie?« Er nickte. »Ich sah es in deinen Augen. Du willst töten und du sollst töten.«
Er torkelte davon wie ein Betrunkener.
Diesmal dauerte es länger, ehe er wiederkam.
Als er schließlich in der Dunkelheit auftauchte, erkannte sie aufgeregt, dass er ein weiteres Opfer vor sich hertrieb. Einen Mann. Er mochte Mitte Vierzig sein. Sein Gesicht war angstverzerrt. Seine Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden. Woiew trieb ihn mit kräftigen Stößen vorwärts, bis er vor das Gitter des Geheges fiel.
Trotz des Knebels schrie der Gefangene auf, als die Finger des Mädchens durch das engmaschige Gitter sich in sein Gesicht krallten und das Knurren eines Wolfs aus ihrem Mund kam. Er wand sich wie ein Wurm und hatte plötzlich die Hände frei.
Woiew sah es zu spät. Die Fäuste des Gefangenen trafen ihn wie ein Rammbock.
Woiew klappte zusammen.
Der Gefangene richtete sich auf und riss den Knebel aus seinem Mund. Keuchend rang er nach Luft. Er sah nicht, dass
Thanias Blicke in mörderischem Hunger an ihm hingen.
Benommen taumelte er auf den Wolfszwinger zu und entdeckte die Kleider der Frau zwischen den Tieren, die ihn mit glühenden Augen anstarrten.
»Kathie«, murmelte er halblaut und ballte die Hände zu Fäusten.
Dann sah er sich gehetzt um, tastete nach dem Riemen, mit dem er gefesselt gewesen war, fand ihn nach einem Augenblick und begann damit, Woiews Handgelenke zusammenzubinden.
Die Blicke der Wölfe und Thanias hingen gebannt an ihm.
Der Mann wusste, was ihm bevorstand, wenn er ihnen in die Fänge kam. Er arbeitete mit fliegender Hast, hob den gefesselten Bewusstlosen dann hoch und schleifte ihn auf Thanias Gehege zu.
Thania bereitete sich zum Sprung vor, als er die Tür öffnete und Woiew hineinstieß.
Sie sprang und prallte gegen Woiew. Während sie auf die Beine kam, sah sie das entsetzte Gesicht des Mannes. Die Augen schienen aus den Höhlen zu quellen. Hastig schloss er die Tür und wich zurück. Sie prallte mit der Schnauze gegen das Gitter.
Thania verfolgte nicht mehr, wie er sich schreckensbleich umwandte und in der Dunkelheit verschwand. Sie war mit einer Erkenntnis beschäftigt, die sie wie ein Schock traf: Woiew hatte recht gehabt. Sie war eine Wölfin.
Eine weiße Wölfin. Sie spürte die Kraft, die Wut, den Hunger. Der Hunger war es, der alle Gedanken auslöschte, alles Menschliche aus ihr hinwegfegte. Nur der Mond und der Hunger waren noch bedeutungsvoll. Sie fasste nach der Kehle der Bewusstlosen – und hielt inne. Das war kein Mensch.
Der entsetzliche Hunger und die Hilflosigkeit ließen sie ruhelos auf und ab wandern. Undeutlich sah sie im Nebengehege ihre Gefährten an den blutigen Resten nagen.
Nach
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