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0160 - Zuletzt wimmern sie alle

0160 - Zuletzt wimmern sie alle

Titel: 0160 - Zuletzt wimmern sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zuletzt wimmern sie alle (1 of 2)
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Chef. Er bat mich, ihn vom Hospital aus anzurufen, falls etwas für den Jungen getan werden konnte oder müßte.
    Eine halbe Stunde später gingen Phil, das Mädchen und ich wartend im Flur des Krankenhauses auf und ab. Die Schwester hatte gesagt, daß Ben seit einer Stunde auf dem Operationstisch läge.
    An der einen Wand des langen Flurs hing eine elektrische Normaluhr. Wenn der Zeiger einen Strich vorrückte, gab es ein deutlich zu vernehmendes Geräusch.
    Phil hockte auf der weißgestrichenen Holzbank und rauchte.
    Das Mädchen ging unruhig hin und her. Ich sah ihm zu, aber ich sah es meistens gar nicht…
    Ich dachte an Jack Ollegan. Was geht in einem Menschen vor, daß er plötzlich zur reißenden Bestie wird?
    Sind es verdrängte Komplexe? Liegt es an der Erziehung? Woran sonst?
    Das Unterbewußtsein eines Menschen ist ein Gestrüpp der widersprechendsten Sehnsüchte und Triebkräfte. Ein undurchdringlicher Dschungel unentwirrbarer Geheimnisse. Immer wieder, wenn man auf etwas so Schreckliches stößt, wie es ein Mord ist und bleiben wird, steht man fassungslos vor diesen gähnenden Abgründen der menschlichen Seele.
    Ich weiß nicht, wie lange ich grübelte. Irgendwann ging irgendwo eine Tür auf, während über ihr im gleichen Augenblick eine rote Lampe erlosch. Eine Schwester kam heraus. Sie zog eine Bahre hinter sich her.
    Ben lag darauf. Sein Gesicht ragte spitz aus dem weißen Laken. Kaum unterschied es sich in der Farbe überhaupt vom Bettzeug.
    Das Mädchen stieß einen leichten Laut aus und schlug die Hand gegen die Lippen. Regungslos starrte es mit weit aufgerissenen Augen auf Ben, der leise vorübergerollt wurde.
    Eine halbe Minute später ging die gleiche Tür wieder auf, und ein straffer, vielleicht vierzigjähriger Mann kam heraus, der energischen Schrittes auf uns zukam. Nur seinem Blick war anzumerken, daß er müde war.
    »Sie sind die. Angehörigen?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Cotton, Decker, FBI«, sagte ich mit einer hinweisenden Geste. »Die junge Dame scheint eine Freundin zu sein. Wir hatten noch keine Zeit, die Eltern zu benachrichtigen. Im Zusammenhang mit dem, was dem Jungen zustieß, steht ein Mordfall. Wir waren bis jetzt damit beschäftigt.«
    »So, so«, sagte der Arzt. »Wissen Sie, wer diesen Stich gegen den Jungen ausführte?«
    Ich nickte: »Ja.«
    Der Arzt sah uns ernst an.
    »Ich bin überzeugt«, sagte er suggestiv, »daß Sie den Täter kriegen werden. Doch, ich bin davon überzeugt. Wenn Sie ihn haben, meine Herren, stellen Sie ihn unter die Anklage des versuchten Mordes.«
    Ich schluckte.
    »Ist - ist Ben denn…?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf.
    »Mißverstehen Sie mich nicht. Wir haben alles Erdenkliche getan. Der Junge lebt. Aber es wird alles von dieser Nacht abhängen. Ich kann nichts sagen über den Ausgang, gar nichts. Der Fall ist mir aus den Händen genommen. Je nachdem, wie diese Nacht verlaufen wird. Sie verstehen, was ich meine?«
    Wir nickten stumm. Der Arzt fuhr sich mit seinen schlacken Händen über die grauen Schläfen.
    »Tja«, murmelte er, »das wäre es wohl für heute. Bitte benachrichtigen Sie die Eltern. Und geben Sie auch der Schwester die Adresse… Gute Nacht, meine Herren. Gute Nacht, kleines Fräulein.«
    Geistesabwesend deutete er eine kleine Verbeugung an und ging. Ich warf dem Mädchen einen fragenden Blick zu. Es verstand sofort.
    »Ich hab£ die Adresse«, sagte es tonlos.
    Wir schwiegen. Wir standen herum, wagten nicht wegzugehen und wußten doch auch, daß unser Bleiben sinnlos war. Plötzlich sah ich, wie der Arzt sich jäh umdrehte und zurückkam. Schnellen, entschlossenen Schrittes.
    »Sagen Sie, kleines Fräulein«, fragte er, noch bevor er uns wieder erreicht hatte, »würden Sie für den Kranken wohl ein Opfer bringen?«
    Das Mädchen nickte stumm. Seine Augen waren ungewöhnlich groß geworden.
    »Er scheint sich obendrein in einer seelischen Krisis zu befinden«, murmelte der Arzt mehr zu sich selbst als zu uns. »Die Frage ist… Ja, man müßte… Hören Sie!«
    Er hob ruckartig den Kopf. »Setzen Sie sich zu mir in den Wagen. Ich fahre Sie zu Ihren Eltern. Ich spreche mit ihnen. Sie können dem Patienten helfen, wenn Sie diese Nacht bei ihm bleiben. Ich lasse eine Couch in sein Zimmer stellen und genug Decken für Sie bereitlegen. Sie können schlafen, die Schwester sitzt ja an seinem Bett. Nur wenn er wach wird, müßten Sie sofort da sein. Es muß jemand sein, der eine beruhigende, lösende Wirkung auf ihn

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