0163 - Der Zombie-Bus
ganzen Welt herumgekommen, sammelte alles, was es über Horror gab und ließ sich auch keinen Gruselfilm entgehen. Sie war dreifache Witwe, lebte in einem Haus in Mayfair und ging ihr Leben gern auf Dämonenjagd.
Stammleser wissen längst, von wem die Rede ist.
Von Lady Sarah Goldwyn, der Horror-Oma! Dieser sympathischen alten Dame, die weder Tod noch Teufel fürchtete und eigentlich immer Action haben mußte. So auch heute.
Mrs. Goldwyn hatte sich innerhalb von zwei Minuten dazu entschlossen, eine alte Freundin in Southampton zu besuchen. Die beiden älteren Damen waren zusammen zur Schule gegangen und hatten auch gemeinsam die ersten Streiche ausgeheckt. Später hatten sich ihre Wege getrennt. Erst als Rose Kimballs Mann starb, da hatte sie wieder Kontakt mit der in London lebenden Lady Sarah aufgenommen. Bisher hatten die beiden nur mit einander telefoniert, doch nun wollte Lady Sarah die Freundin Rose endlich einmal besuchen.
Die hatte natürlich freudestrahlend zugestimmt und ihr die schnellsten Züge genannt, doch Lady Sarah hatte ihren eigenen Kopf. Sie wollte mit dem Bus fahren.
Da sah sie mehr, da dauerte die Vorfreude länger, da konnte sie auch mit Fahrgästen plaudern. Und wenn das Wetter noch schön war, machte die Reise doppelten Spaß.
Dafür gestand sie Rose dann zu, noch zwei Tage länger in Southampton zu bleiben.
Den Bus hatte sie sich schon ausgesucht, und mit einem Taxi ließ sie sich zum Bahnhof bringen. Sie zahlte den Fahrpreis, legte noch ein Trinkgeld zu und schaute sich um.
Es war gar nicht leicht, sich mit den Tafeln zurechtzufinden. Lady Sarah machte einen etwas zerstreuten Eindruck, so wie sie dastand in ihrem langen Mantel, dem altmodischen Hut auf dem Kopf und den zahlreichen Ketten um den Hals. Zudem trug sie an der rechten Hand noch eine Tasche und in der linken ihren Regenschirm. Eine Handtasche hatte sie ebenfalls bei sich.
Das sah auch ein junger Mann, der auf einem viereckigen Betonklotz hockte und ansonsten Löcher in die Luft starrte. Ein kaltes Grinsen umspielte seine Lippen, als er aufstand und langsam auf die Horror-Oma zuschlenderte.
Vor ihr blieb er stehen.
Lady Sarah hob den Blick. »Bitte sehr?« sagte sie fragend.
»Hallo, Oma«, grinste der Kerl. »Kommst du nicht zurecht?« Er baute sich vor ihr auf und hakte die beiden Daumen lässig in den Gürtel seiner schmalen, kunstledernen Hose. Sein Haar war struppig, das Gesicht zeigte einen verschlagenen Ausdruck. Hilfsbereit war der Typ gewiß nicht. Er gehörte zu der Sorte, die sich auf unrechte Art und Weise durchs Leben schlugen und sicherlich schon manchen Knast von innen gesehen hatten.
Lady Sarahs Augen blitzten. Sie war zwar schon 70, aber eine Oma noch lange nicht. Was dieser Kerl sich einbildete! Diese Anrede bezeichnete sie als Frechheit.
»Danke, ich komme schon zurecht«, erwiderte sie kühl.
»Das glaube ich kaum.« Der Typ behielt sein Grinsen bei. Sein Arm fuhr zurück, die Hand fummelte am Rücken herum, und als sie wieder zum Vorschein kam, hielten die Finger den Griff eines Messers mit schmaler, langer Klinge umfaßt.
»So ist das also«, sagte Lady Sarah.
»Genau, Oma, so ist es.« Die Messerhand wischte nach vorn, so schnell, daß Lady Sarah nicht mehr zurückweichen konnte. Sie sah noch das Blitzen, und im nächsten Augenblick fühlte sie sich erleichtert. Erleichtert insofern, daß ihre Handtasche fehlte. Der Räuber hatte einfach den Riemen gekappt.
Er schnappte sie noch während des Falls mit der freien Hand auf, drehte sich und wollte weg.
Lady Sarah konnte manchen Spaß vertragen, doch was zuviel war, das war zuviel. Diesem Burschen mußte mal jemand Manieren beibringen. Da sich kein anderer in der Nähe befand, wollte Lady Sarah das übernehmen.
Ihre Allround-Waffe trug sie bei sich. Das war der Regenschirm, der einen mit Blei gefütterten, krummen Griff besaß.
Der Dieb startete.
Er kam nur einen Schritt weit. Lady Sarah hatte den Schirm blitzschnell gedreht, und die Krücke fuhr dem Mann unten zwischen die Beine, wobei sie noch das linke Fußgelenk umklammerte. Damit hatte der Kerl nicht gerechnet. Er warf beide Hände in die Höhe, fiel nach vorn und landete unsanft auf seinem Gesicht.
Sofort löste Lady Sarah den Griff und setzte die Krücke nun als Schlagwaffe ein.
Sie klopfte dem Kerl auf den Schädel. Zweimal traf sie ihn. Beim ersten Schlag jaulte der Räuber noch, beim zweiten verdrehte er die Augen und meldete sich ab.
»Ich werde dir helfen, ältere Damen zu
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