0164 - Ich und das Todeskarussell
nicht mehr telefonisch bemerkbar machen, nicht wahr?«
Newman lehnte sich zurück, war einen Augenblick erschrocken und brummte dann:
»Ach, reden Sie nicht so einen Unsinn! Jack ist jung und gesund! Der wird hundert Jahre alt! Oder hat er etwa einen Verkehrsunfall gehabt? Diese verdammten verstopften Straßen immer!«
»Kein Unfall«, sagte ich hart und stand auf. »Er wurde ermordet. Heute nacht, gestern abend, heute früh — wir wissen es noch nicht. Sein Haus ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Eindeutig Brandstiftung. Das ist die nackte, brutale Wahrheit, Mister Newman, Und der Mann, der Ihnen dieses Telegramm schickte, der wußte also gestern abend schon, daß er Vandoom ein paar Stunden später umbringen würde. Helfen Sie uns, Newman! Helfen Sie uns, diesen Mann zu finden!«
Robert Newman war weiß geworden wie eine Kalkwand. Er schluckte, machte aber sonst nicht die kleinste Bewegung. Wie erstarrt saß er in seinem Sessel und sah uns an. Über der Nasenwurzel hatte sich eine steile Falte eingegraben.
»Das--also —- — nein, das geht nicht in meinen Kopf! Jack! Ich kann es mir nicht vorstellen. Jack war der prächtigste Bursche, den ich je kennengelernt habe. Das muß doch ein Irrtum' sein! Sie kennen Vandoom nicht so gut wie ich, Sie verwechseln ihn vielleicht mit einem anderen, he? Diese Möglichkeit besteht doch! Los, lassen Sie uns schnell hinfahren, damit ich Ihnen sagen kann, es ist nicht Jack!«
Er war aufgesprungen und sah uns auffordernd an. Aber noch bevor ich pfwas erwidern konnte, schlug das Telefon, an. Newman schüttelte unwillig den Kopf, nahm den Hörer und meldete sich.
Er lauschte einen Augenblick, räusperte sich und rief:
»Hallo, wer spricht denn da? Hallo! Mit wem spreche ich?«
Er ließ den Hörer sinken, drehte sich entgeistert um und stammelte:
»Es war ein Mann. Er hat seinen Namen nicht genannt.«
»Und was wollte er?« fragte Phil.
»Ich soll den beiden G.-men etwas ausrichten, die gerade bei mir wären.«
»Und zwar?« fragte ich gespannt.
»Sie sollen ihre neugierige Nase nicht in Dinge stecken, die sie nichts angehen. Sonst würde man das Krematoium für sie schon einheizen.«
Ich sprang auf und lief zum Fenster. Mit einem Ruck riß ich den Vorhang zur Seite, wirbelte das Fenster auf und sah hinaus. Neunzehn Etagen unter mir pulste der Strom des Verkehrs. Ungefähr sechzig oder siebzig Yards weiter links fuhr ein schwarzer Wagen ab, der genau vor einer Telefonzelle gehalten hatte.
***
»Tag, Joe«, sagten wir eine Stunde später, als wir das Lokal unseres pensionierten Kollegen betraten.
»Hallo, Jungens«, nickte Joe. »Setzt euch! Etwas zu trinken?«
»Lieber etwas zu essen«, meinte Phil. »Wir sind seit heute früh auf den Beinen und haben noch nichts zu uns genommen außer einer Tasse Kaffee.«
»Dann wird’s aber Zeit. Was soll ich bringen?«
Wir hatten einen Bärenhunger und sagten es Joe, Er empfahl uns irgend etwas von seiner Karte, und wir waren damit zufrieden. Während die Mahlzeit in der Küche hergerichtet wurde, ließ Joe von seinem Neffen an der Theke einen schwachen Whisky-Soda mixen. »Was gibt es Neues?« fragte er.
Wir erzählten ihm von Vandooms Ermordung. Er war ebenso erschrocken wie Newman und sagte kopfschüttelnd: »Und ich habe gestern den ganzen Nachmittag noch mit ihm zusammengesessen. Die Sache mit der kleinen Jane war ihm ziemlich an die Nerven gegangen. Er hatte wohl mit einem klaren Freispruch gerechnet.«
»Er hat damit gerechnet?« wiederholte ich nachdenklich. »Seltsam! Daß sich ein Rechtsanwalt so irren soll!«
»Wie meinst du das?« warf Phil ein. »Na, wenn irgend jemand die Chancen in einem Prozeß halbwegs beurteilen kann, muß'es doch einer der beteiligten Anwälte sein. Er kennt wie kein anderer die vorgebrachten Belastungsmomente, und er kennt die für die Unschuld des Angeklagten sprechenden Fakten. Diese beiden Seiten gegeneinander vorurteilsfrei abzuwägen, muß man doch einem Anwalt Zutrauen können. Anders ausgedrückt: wenn Vandoom mit einem klaren Freispruch rechnete, muß er doch davon überzeugt gewesen sein, daß er Janes Unschuld für die Geschworenen eindeutig beweisen kann und bewiesen hat! Er ist doch kein Phantast, der blutleeren Träumen nachjagt.«
Joe rieb sich über sein eckiges Kinn.
»Ungefähr dasselbe habe ich ihm ja gestern auch gesagt«, murmelte er. »Selbstverständlich kann es in jedem Prozeß Überraschungen geben, aber das war ja bei Janes Verhandlung nicht der Fall.
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