0165 - Bis zum letzten Atemzug
beobachteten den Ausgang und zählten. Als der letzte hinausgegangen war, hatten wir sechsundzwanzig gezählt.
Rohnes hatte von rund dreißig gesprochen. Es mochten ein paar fehlen, es konnten sich aber auch ein paar unten versteckt haben in der Hoffnung, auf diese Weise zu entkommen.
»Wir müssen hinab!«, sagte ich leise. »Es könnten sich einige versteckt haben. Möglichkeiten gibt es genug.«
»Na dann los!«, sagte Wagner.
Wir nahmen die Maschinenpistolen und stiegen so leise, wie es möglich war, die stählerne Leiter hinab ins Erdgeschoss.
Als ich die letzten Sprossen hinabrutschte, weil ich eine verfehlt hatte in der Dunkelheit, blitzte neben der automatischen Schussvorrichtung ein Schuss auf.
Ich sprang ein paar Yards nach rechts und fand Deckung hinter einem Träger. Von der Leiter her hörte ich Phils Schritte. Wagner war uns vorangegangen und musste also schon unten sein.
Ich hielt die Tommy Gun im Anschlag und wartete. Jetzt klirrte etwas weit rechts von mir, und der Bursche schoss ein zweites Mal.
Ich zog durch.
Sein Schrei übertönte sogar das laute Rattern meiner Tommy Gun. Dazwischen schrie jemand: »Aufhören! Wir ergeben uns! Aufhören!«
Ich nahm den Finger vom Abzug. Schrittweise kamen sie heran. Als sie in den Lichtkreis der Lastwagenscheinwerfer gerieten, sahen wir, dass es vier Mann waren. Zwei von ihnen trugen einen dritten, während der vierte mit erhobenen Händen vorausging.
Wir klopften sie sofort nach Waffen ab. Als ich den Verwundeten sah, erkannte ich ihn: Raines Schwiegersohn.
Ich sagte nichts zu ihm, obgleich er mich ebenfalls erkannt hatte.
»Haben sich noch mehr versteckt?«, fragte ich die anderen drei. »Seid ehrlich! Wenn wir jetzt die Bude abkämmen und erleiden Verluste, weil ihr uns belogen habt, seid ihr die Mörder!«
Sie versicherten bei allen möglichen heiligen Dingen, dass niemand weiter in der Halle sei.
»Dann kommt!«
Wir führten sie hinaus. Draußen waren eine Menge G-men dabei, die anderen zu entwaffnen. Es kamen allerhand Schießprügel zusammen. Wir suchten die Burschen ab.
Die zwölf Racketmänner fanden wir vollständig versammelt. Auch zwei Kollegen aus der Halle zwei fand ich. Sie machten große Augen, als sie mich erkannten. Einer spuckte mir vor die Füße und murmelte etwas von »Verräter.«
***
Die Vernehmungsbeamten bekamen zu tun. Wir setzten uns in eines der Vernehmungszimmer und hörten eine Weile zu.
Es war immer das Gleiche. Sofern sie bei der NMC arbeiteten, hatte Rohnes sie angeheuert. Sie hielten ihre Diebstähle gewissermaßen für ein Kavaliersdelikt.
Einer sprach es ganz offen aus: »Was wollt ihr eigentlich von uns? Wir haben unversteuerte Nachtarbeit gemacht. Gut, das geben wir zu. Dafür kann uns das Finanzamt eine Geldstrafe auferlegen. Aber das ist kein Grund, uns wie Verbrecher zu behandeln.«
Der Beamte fragte: »Wussten Sie, dass das Vieh gestohlen war?«
»Das konnte man sich ja denken, nicht? Sonst hätte man nicht so heimlich zu schlachten brauchen! Aber was geht uns das an? Wir wurden bezahlt, sehr gut bezahlt, und wir haben dafür schnelle und saubere Arbeit geleistet.«
Ich stand auf.
»Augenblick!«, sagte ich. »So einfach liegen die Dinge nicht! Man hat Vieh gestohlen, und ihr habt es gewusst. Ein FBI-Beamter hat offizielle Nachforschungen betrieben, aber ihr habt ihm nichts gesagt. Er ist ermordet worden, weil keiner von euch rechtzeitig den Mund aufmachte. Ihr alle, ihr seid schuldig an seinem Tod. Kein Mensch hat das Recht, an einem Verbrechen vorbeizugehen und zu sagen, es geht mich nichts an! In den alten Tagen dieses Landes wurde das Recht von jedem Bürger gegen jeden Desperado geschützt. Man kann nicht rechtschaffen bleiben, aber das Unrecht wissentlich dulden. Was mich angeht, so werde ich dafür stimmen, dass ihr alle der Mitwisserschaft am Bandenverbrechen angeklagt werdet. Komm, Phil! Ich möchte frische Luft atmen.«
Wir gingen hinaus. Ich habe nie Verständnis für Menschen gehabt, die ihr Gewissen mit einem Geldschein zudecken können.
Es war am anderen Morgen gegen sechs Uhr, als wir in dem Krankenhaus standen, in dem Rohnes lag. Es dauerte eine Weile, bis wir der Oberschwester begreiflich machen konnten, dass es sehr wichtig sei. Schließlich telefonierte sie mit dem Arzt.
Der Mann kam selbst und wollte wissen, warum wir so früh mit Rohnes sprechen möchten.
»Wir suchen einen Gangsterboss«, erklärte ich. »Einen Mann, der mehrere Morde auf dem Gewissen hat. Vermutlich
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