0169 - Flucht vor dem Teufel
Arm aus, um ihm die Richtung anzugeben.
Sie schluckte.
Dort, wo sie noch vor Sekunden hochaufragende Mauern gesehen hatte, war nichts. Nur Bäume und Sträucher.
Matthias lachte und trat wieder aufs Gas.
»Ich… ich schwöre dir, daß da noch vor einem Augenblick…«
»Na, wer von uns braucht wohl eine Mütze voll Schlaf, hm?« Er berührte kurz ihre Hand. »Mach dir nichts draus. So was kann schon mal passieren. Wir sind beide übermüdet. Und in diesem Licht kann man schon einmal glauben, etwas zu sehen, was gar nicht da ist.«
Sie schüttelte nur den Kopf, starrte abwechselnd auf die Karte und dann wieder hinaus. »Aber das… das ist unmöglich. Ich hab’ das Scloß wirklich gesehen, glaub mir. Ich spinne doch nicht!«
»Nun ja, manchmal…«
»Ach, hör doch auf. Ich hab’ das Schloß gesehen, das steht fest. So sicher, wie ich hier neben dir sitze. Und es ist doch auch auf der Karte eingezeichnet.«
»Aha«, antwortete Matthias mild, »und jetzt ist es verschwunden, einfach so? Hat sich in Luft aufgelöst.«
Er warf einen Blick zur Seite, blickte in ihr verstörtes Gesicht. Sie ist sich wirklich sicher, dachte er.
»Himmel, nun vergiß doch dieses Château de Montagne. Karten können sich irren, das weißt du doch.«
Sie nickte zögernd.
Aber da war eine Empfindung in ihr, die sie sich nicht zu erklären vermochte. Ein Schaudern vielleicht, eine dumpfe, nicht näher zu beschreibende Befürchtung. Sie hatte das Château gesehen, da war sie absolut sicher. Aber wie hatte dann ein massives Schloß einfach so, von einer Sekunde zur anderen, verschwinden können…?
***
»Die Dämonenbanner sind in Ordnung«, sagte Zamorra, als er auf die Terrasse zurückkehrte. Nicole nippte an ihrem Kaffee und nickte nur. Jean Somac würgte den Bissen herunter und sah den Meister des Übersinnlichen groß an, während der sich in den Sessel fallen ließ. Es war ein herrlicher Morgen und für diese Jahreszeit sogar recht warm. Dennoch fröstelte der junge Mann.
»Sagen Sie… letzte Nacht…«
»Ja?« Zamorra sah auf und konnte sich trotz der düsteren Erinnerungen ein Lächeln nicht verkneifen.
»Ach lassen Sie nur. Ich glaube, ich… ich habe nur geträumt…«
Der Enddreißiger schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht, Jean. Alles, woran Sie sich erinnern, war Realität, eine Wirklichkeit allerdings, die Ihnen wie ein Traum, besser, wie ein Alptraum Vorkommen muß.«
»Der Baum«, kaum es fast tonlos über die dünnen Lippen des Fünfundzwanzigjährigen, dessen Blick jetzt nach innen gerichtet war. »Die Verdoppelung Ihres Dieners…«
Raffael brachte einen neuen Korb mit Gebäck und zuckte unwillkürlich zusammen, als er an den Schrecken der vergangenen Nacht erinnert wurde. Seit er für Zamorra und seine Lebensgefährtin tätig war, hatte er schon eine Menge gesehen, aber das konnte das erlebte Grauen nicht mindern.
»Monsieur«, sagte der alte Mann verlegen. »Bitte entschuldigen Sie, daß ich…«
Zamorra winkte ab.
»Es gibt nichts zu entschuldigen, Raffael. Sie können nichts dafür. Ich habe nicht aufgepaßt, nicht mit einem solch massiven Angriff aus der anderen Welt gerechnet. Und das, was mich attackiert hat, waren nicht Sie, sondern ein dämonischer Einfluß, dom Sie sich nicht widersetzen konnten.«
Der alte Diener nickte nur und verschwand dann wieder.
»Ich spinne also nicht?« erkundigte sich Jean Somac nervös. »Dä…Dä…«
»Dämonen«, half Nicole aus und lächelte den Fünfundzwanzigjährigen an. Dann nickte sie ernst. »Nein, Sie spinnen ganz und gar nicht.« Und dann erzählte sie ihm von der ›Nebenbeschäftigung‹ Zamorras als Geisterjäger, einer Beschäftigung, die inzwischen fast schon zu einem Full-Time-Job geworden war. Sie berichtete ihm von den zurückliegenden Ereignissen in London, von der anderen Welt und den Mächten, die dort zu Hause waren. Somac wurde immer blasser, schluckte.
»Aber all das…«
»Ist auch Wirklichkeit«, wurde er von dem Professor unterbrochen. »Eine schlimme Wirklichkeit, aber genauso real, wie alles, was Sie hier sehen.« Mit diesen Worten vollführte er eine ausladende Bewegung und deutete hinaus auf das Land, das im Licht der Morgensonne zu erstrahlen schien.
Wie sich doch alles ändern kann, dachte Nicole verträumt. In der Nacht ist alles düster, aber das Licht des Tages läßt diese Düsternis unwirklich erscheinen. Jeden Tag neu.
»Was ist eigentlich mit meinem Wagen?« fragte Jean nach minutenlangem Nachdenken. Zamorra
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