017 - Blick in die Vergangenheit
weißes Gewand gehüllt: der persönliche E-Butler des Octavians.
»Ich hoffe es ist wichtig, Jeff«, blaffte er.
»Verlass dich drauf. Ich brauche die aktuellsten Bilder unserer Späher aus der Zentrale.«
Sokrates schüttelte den Kopf. »Und das nennst du ›wichtig‹?« Er trat an den Rand des Monitors. »Na, von mir aus…« Seine Gestalt löste sich auf, dafür sah man jetzt die Ruinen Londons aus der Vogelperspektive, im Hintergrund die Themse. Im Vordergrund hasteten sechs Männer in Wildlederkluft durch das Gestrüpp eines zerstörten Straßenzuges.
»Die Socks haben schon vor einer halben Stunde die Themse überquert. Der Fremde ist ihnen gefolgt. Er soll sich ›Maddrax‹ nennen…«
»Ungewöhnlicher Name…« Der König streckte ein Bein aus der Sonnenkabine.
»Eine Sitzgelegenheit!«
Eine Sitzfläche schob sich aus der Flussland- schaft.
»…der Name seiner Begleiterin ist nicht bekannt. Sie scheint aber weiter nichts als eine primitive Barbarin zusein.«
Die Bildperspektive wechselte. Deutlich konnte man jetzt einen Mann und zwei Frauen erkennen. Sie waren nicht mehr weit von den Flüchtlingen entfernt. »Was für eine süße Stinkstiefelin sehe ich denn da?!«, rief der König entzückt.
»Ich bitte Euch, Sire! Es ist eine schmutzige Wilde!« Entrüstung und Abscheu klang aus Winters Stimme. »Beachtet bitte den Mann.«
»Sieh dir sein blondes Haar an!«, sagte der König mit Neid in der Stimme. »Aber dieser grüne Arbeitsanzug steht ja vor Dreck!« Er schüttelte sich.
»Commander Marylbone hat das Klei- dungsstück identifiziert. Es handelt sich um einen Anzug, wie ihn die Piloten der amerikanischen Luftwaffe in den Jahren vor ›Christopher-Floyd‹ trugen.«
»Ach…!« So abrupt richtete Roger III. sich auf, dass ihm der Comic von der Brust rutschte und auf den Boden fiel. »Wie kann das sein?«
»Wir wissen es nicht. Er ist zudem mit einer uralten Faustfeuerwaffe ausgerüstet. Damit hat er die Socks in die Flucht geschlagen. Zwei konnte er sogar töten, darunter der berüchtigte Biglord Milla.«
»Unglaublich!«, staunte der König.
»Offenbar haben die Stinkstiefel ihm ein altes Fernglas entwendet. Auch dieses Modell stammt allem Anschein nach aus der Zeit vor ›Christopher-Floyd‹.«
Gemeinsam beobachteten sie, wie die Verfolgergruppe sich den sechs Männern näherte. »Es ist reiner Selbstmord, was er da macht.« Roger schüttelte fassungslos den Kopf.
»Weiß der Mann denn nicht, mit wem er sich anlegt?«
»Ich fürchte, nein«, entgegnete der Octavian.
»Und ich frage mich, warum die Socks vor ihm fliehen. Nur weil die antike Waffe einen solchen Lärm macht?« Er machte ein skeptisches Gesicht. »Sie planen einen Hinterhalt, wenn Ihr mich fragt, Sire.«
Das Bild erlosch. »Was ist passiert, Sokrates?«, rief Winter. Plötzlich erschien der blonde Mann in Großaufnahme; er beugte sich dem Betrachter entgegen. Dann wurde auch dieses Bild undeutlich und erlosch. »Was soll das, Sokrates!?«
Der weißgewandete E-Butler zeigte sich wieder. Er trug Schnürsandalen. »Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich war einer der Späher dämlich genug, sich erwischen zu lassen. Schalt ich eben auf einen anderen um.« Ein neues Bild erschien. Diesmal sah man den Mann namens Maddrax und seine beiden Begleiterinnen von hinten. Nicht weit vor ihnen waren Teile einer zerfallenen Säulenfassade zu erkennen. Dahinter, zwischen mächtigen Baumkronen, eine Kuppel.
»Um Himmels willen«, flüsterte Winter.
»Die verfluchten Stinkstiefel führen sie zur British Library…«
Der König sprang aus der Sonnenbank. »Eine Falle!«, rief er erregt. »Sie locken sie in eine Falle! Wir müssen etwas unternehmen…!«
***
Es waren ohne Zweifel Ruinen einer Kirche, was sich da über ihnen erhob. Man konnte zwar kein Gemäuer sehen und auch das Kreuz auf dem Turm nicht -aber die Formen der Pflanzenhülle waren eindeutig: Das klobige Vorder- und das lange Mittelschiff, die beiden spitz zulaufenden Türme - nur eine Kirche konnte sich unter diesem Teppich aus Kletterpflanzen verbergen.
Den Rücken ins Laub gedrückt, halb zwischen den Ranken verborgen schob sich Matt auf den schmalen Streifen zu, der unschwer als ehemalige Straße zu erkennen war. Die Beretta lag entsichert in seiner Hand. Dicht neben ihm Aruula, und dann Lu. Die junge Frau hielt den gespannten Bogen in den Händen. Ein Pfeil lag auf der Sehne. Brennnesseln und Disteln wucherten auf der Straße. Auf der anderen Seite erhob
Weitere Kostenlose Bücher