Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
ihre Fenster blickten Hunderte von Fuß hinunter. Der Eseltreiber blickte in das Tal hinab und bemerkte von Zeit zu Zeit den alten Mann, der unterdessen den Saumpfad verlassen hatte und einen Hügel hinaufkletterte. Sein Ziel war ein verfallenes Häuschen, das an einer der scharfen Kurven der Straße lag, und der kleine Eseltreiber sah ihn in einer Kelleröffnung verschwinden. Langsam trieb er sein Grautier weiter, bis er endlich das gleiche Haus von der Straße aus erreichte. Er hielt an, knüpfte die Leine an einen Pfosten und klopfte zaghaft.
    Eine gutmütige Bäuerin öffnete die Tür und schüttelte den Kopf, als sie die Waren sah, mit denen der Esel beladen war.
    »Ich brauche nichts, mein Junge«, sagte sie. »Ich habe meinen eigenen Garten; du bist doch nicht von Monaco?«
    »Nein, Signora«, erwiderte der Junge und zeigte mit einem freundlichen Grinsen seine Zähne. »Ich bin von San Remo, aber ich wohne jetzt in Monte Carlo, um Gemüse für meinen Onkel zu verkaufen, und der hat mir gesagt, daß ich hier vielleicht Unterkunft finden könnte.«
    Sie blickte ihn unentschlossen an.
    »Ich habe ein Zimmer, das ich dir geben könnte, mein Junge, obgleich ich Italiener eigentlich nicht gern habe. Du mußt mir einen Franken pro Nacht zahlen und kannst deinen Esel in der Scheune von meinem Schwager unterbringen - etwas weiter rauf.«
    Sie führte ihn ein paar ausgetretene Stufen hinunter in einen winzigen Raum, dessen Fenster auf das Tal hinausging.
    »Hier wohnt noch einer«, sagte die Bäuerin. »Ein alter Mann, der den Tag über schläft und Nachts ausgeht. Aber er ist ein anständiger Mann«, fügte sie in Verteidigung ihres Mieters hinzu.
    »Wo schläft er denn?« fragte der Junge.
    »Da!« Die Frau wies auf eine Tür auf der anderen Seite des schmalen Treppenabsatzes. »Er ist gerade nach Hause gekommen, wie ich höre«, und sie lauschte an der Tür.
    »Können Sie mir vielleicht das Geld wechseln?« Der Junge hielt ihr eine Fünfzigfrankennote hin, und die Frau zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe.
    »Solch ein Vermögen!« sagte sie gutgelaunt. »Ich hätte nicht gedacht, daß ein kleiner Junge wie du soviel Geld haben könnte.«
    Sie lief nach oben in ihr eigenes Zimmer.
    Der Junge wartete, bis ihre schweren Fußtritte auf der Treppe verklangen, und versuchte dann, vorsichtig die Tür des anderen Mieters zu öffnen. Mr. Jaggs hatte sich nicht eingeriegelt; der Lauscher stieß die Tür vorsichtig auf und blickte hinein. Was er sah, mußte ihn zufriedenstellen, denn er schloß sie schnell wieder. Als sich die Tritte des alten Jaggs der Tür näherten, sprang der Eseltreiber eiligst die Treppe empor.
    »Ich komme später noch einmal«, sagte er, nachdem er das Wechselgeld erhalten hatte. »Ich muß erst mit meinem Esel nach Monte Carlo hinunter.«
    Die Bäuerin blickte dem Jungen und dem Grautier nach und begann ihrem schlafenden Mieter das Frühstück zu bereiten.
    Aber der kleine Gemüsehändler ging nicht nach Monte Carlo. Er schlug denselben Weg ein, den er gekommen war, und wenige hundert Meter vor dem Eingang der Villa Casa tauchte Mordon, der Chauffeur, auf und nahm ihm die Zügel aus der Hand.
    »Haben Sie herausbekommen, was Sie wollten, Mademoiselle?«
    Jean nickte. Unbemerkt betrat sie das Haus durch den Wirtschaftseingang. In ihrem Zimmer legte sie die schwarze Perücke ab und machte sich daran, die dunkle Farbe aus ihrem Gesicht zu entfernen. Sie war von ihrer Morgenarbeit befriedigt.
    »Bitte beschäftige dich den ganzen Tag mit Mrs. Meredith«, war der Auftrag, den sie ihrem Vater auf der Treppe zuflüsterte. Sie hatte noch viel zu erledigen. Zuerst fuhr sie zum ›Hotel de Paris‹ und verschaffte sich dort unter dem Vorwand, einen Brief zu schreiben, einige Bogen und Umschläge des Hotels. Dann mietete sie eine Schreibmaschine, die sie mit in die Villa Casa nahm. Beinahe eine Stunde lang arbeitete sie in ihrem Zimmer, bis der Brief beendigt war. Auch die Unterschrift nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Jean hatte lange in Lydias kleinem Schreibtisch zu suchen, bis sie endlich einen Brief von Jack Glover fand - aber diese Unterschrift war bei weitem nicht so einfach wie die Lydias. Und aus Lydia Merediths Scheckbuch wurde vorsichtig aus der Mitte ein Blatt herausgetrennt. Am gleichen Nachmittag fuhr der Chauffeur Mordon nach Nizza; um neun Uhr abends verließ er das Flugzeug in Paris. Am folgenden Morgen wurde bei Mr. Rennett in London ein dringender Brief abgegeben - allerdings nicht von

Weitere Kostenlose Bücher