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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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steckte den Brief in ihre Handtasche.
    Plötzlich, bevor ihr zum Bewußtsein kam, was vorging, hatte er sie in seine Arme gerissen, und seine Lippen lagen auf den ihrigen.
    »Jean, Jean!« stammelte er. »Du bist - ich sehne mich nach dir!«
    Sie schob ihn sanft zurück, aber ihre Augen blickten hart.
    »Sei vernünftig, Francois, habe doch Geduld!«
    Sie schlüpfte durch die Tür, schloß sie hinter sich. Trotz ihrer Erregung warf sie die Tür nicht zu, eilte nicht die Treppe hinunter, sondern ging langsam und bedächtig in das Haus zurück, wo ihre Abwesenheit nicht bemerkt worden war. Das Gesicht, das ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, war ruhig und schön wie immer, aber in ihrem Inneren waren alle Teufel losgelassen, begierig, Opfer zu finden. Keinem Mann war es bis jetzt gelungen, in Jean Briggerland Liebe zu erwecken, aber einer hatte es fertiggebracht, einen Haß in ihr zu entfachen, der sie zu verzehren drohte. Von dem Augenblick an, als sie mit einem feuchten Taschentuch über ihre Lippen fuhr, um das zierliche Spitzengewebe, als wäre es vergiftet, dann zum Fenster hinauszuwerfen, war Mordon ein toter Mann.

Kapitel 31
    Am nächsten Morgen traf ein Brief von Jack Glover ein. Seine Reise war gut verlaufen, er hatte sich gefreut, Lydia wiederzusehen, und gab der Hoffnung Ausdruck, sie werde an das Testament denken. Lydia dachte nicht über Testamente nach, sondern über eine Entschuldigung, um nach London zurückkehren zu können. Es schien ihr, als ob die Lieblichkeit Monte Carlos mit einem Male verblichen sei, und sie hatte schon beinahe all die Umstände vergessen, die ihr die Reise hierher so willkommen gemacht hatten.
    »Zurück nach London, Liebste?« rief Mrs. Cole-Mortimer überrascht. »Das ist aber ein - ein schneller Entschluß ... In London friert es doch, und der gräßliche Nebel und ... wirklich, ich kann Sie jetzt noch nicht weglassen!«
    Allein der Gedanke an die Möglichkeit einer Abreise regte die ältere Dame auf. Ihre eigene gute Zeit an der Riviera hing völlig von Lydias Anwesenheit ab. Jean hatte ihr diesen Punkt sehr deutlich klargemacht. Sie selbst, so erklärte sie der bekümmerten Dame, war bereit, jeden Augenblick nach London zurückzufahren, und Mrs. Cole-Mortimers weiterer Aufenthalt in der Villa Casa richtete sich nach Lydias Plänen. Mrs. Cole-Mortimer hatte sehr gut verstanden, daß Jeans Kopf es war, nach dem sich die ganze Gesellschaft bewußt oder unbewußt richtete.
    Wenn Lydia sich nicht selbst über die eigentlichen Gründe ihrer plötzlichen Sehnsucht nach London klargewesen wäre, hätte sie wohl doch ihre Absicht ausgeführt. Sie fand, daß die Reize Monte Carlos von der Gegenwart eines Mannes abhingen, der doch die größte Entrüstung in ihr entfacht und mit dem sie sich beinahe die ganze Zeit über gezankt hatte. Sie sprach über ihre Unruhe, aber ohne nähere Erklärungen, mit Jean, die sie wie gewöhnlich völlig zu verstehen schien.
    »Die Riviera ist beinahe wie türkischer Honig - sehr süß, darf aber nicht im Übermaß genossen werden«, sagte sie. »Bleiben Sie noch eine Woche, und wenn es Ihnen dann nicht mehr gefällt, fahren wir alle zusammen zurück.«
    »Aber da störe ich doch auch Ihre Reisepläne«, versetzte Lydia.
    »Ganz und gar nicht«, war die Antwort. »Vielleicht denke ich in einer Woche genau wie Sie.«
    Eine Woche! Wieviel konnte sich in einer Woche ereignen, dachte Jean. Und tatsächlich trieb von dieser Nacht an die Lage einer Krisis zu, aber nicht in der Weise, wie Jean es erwartet hatte.
    Mr. Briggerland, der während ihrer Unterhaltung in die Zeitung geblickt hatte, sah auf.
    »In Nizza machen sie jetzt sehr viel Aufhebens von dem Mauren«, sagte er, »aber soviel ich weiß, hat Nizza immer irgendeinen gesellschaftlichen Löwen.«
    »Muley Hafiz«, rief Lydia, »ein sehr gut aussehender Mann. Als ich neulich mit Mr. Stepney zusammen speiste, war er in demselben Restaurant.«
    »Ich habe kein großes Interesse für Farbige«, warf Jean ein. »Was ist er denn - ein Neger?«
    »Aber nein, er ist heller als -« Lydia war im Begriff, ›Ihr Vater‹ zu sagen, hielt es aber für angebrachter, einen besseren Vergleich zu finden. »Er ist heller als die meisten Menschen im Süden Frankreichs, aber ich glaube, alle Mauren von guter Familie sind so. Stimmt das nicht?«
    Jean schüttelte den Kopf.
    »Für Völkerkunde habe ich nie etwas übriggehabt«, sagte sie gutgelaunt. »Meine Vorstellung von Mauren habe ich von dem alten Shakespeare,

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