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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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und ich habe sie immer für kohlrabenschwarz gehalten; was ist er denn eigentlich? Ich habe noch keine Zeitung gelesen.«
    »Er ist der Kronprätendent der Mauren«, erklärte Lydia, »und der französische Senat hat schon eine Menge Unannehmlichkeiten seinetwegen gehabt. Frankreich unterstützt seine Ansprüche, aber Spanien hat für seine Ergreifung eine Belohnung ausgesetzt.«
    Jean sah sie belustigt an.
    »Merkwürdig, daß Sie soviel Interesse an der internationalen Politik haben. Das kommt wohl daher, daß Sie früher für die Zeitungen gearbeitet haben, Lydia?«
    Jean fand aber bald heraus, daß Muley Hafiz von größerem Interesse für sie war, als sie jemals für möglich gehalten hätte. Sie war nach Monte Carlo gefahren, um Einkäufe zu machen. Mentone lag ja näher, aber Jean zog die Fahrt nach dem Fürstentum vor.
    Die Spielsäle hatten keine besondere Anziehungskraft für sie, und während Mordon eine Garage aufsuchte, um einen schadhaften Zylinder nachsehen zu lassen, schlenderte sie über die breite Terrasse des Kasinos zum Meer hinunter. Die Badehütten waren zu dieser Jahreszeit noch geschlossen, aber der Weg am Strand entlang war schon immer einer ihrer liebsten Spaziergänge gewesen.
    In der Nähe der Hütten ging sie an einer Gruppe dunkelhäutiger Männer in weißen Burnussen vorbei und fragte sich, welcher von ihnen wohl der berühmte Muley Hafiz sein könnte. Einer von ihnen, der ihr durch sein besonders ausgeprägtes Negergesicht auffiel, trug auf seinem wallenden Gewände das Scharlachband der Ehrenlegion. Trotzdem schien er ihr nicht interessant genug, um Muley Hafiz zu sein.
    Entfernt von den anderen stand ein hoher Mann von Respekt gebietendem Äußeren am Ufer und blickte auf das sonnenbestrahlte Meer hinaus, als ob er in der Ferne etwas suchte. Ihre Schritte konnte er auf dem weichen Sande nicht gehört haben, und doch mußte er ihre Gegenwart fühlen, denn er drehte sich plötzlich herum. Beim Anblick seines Gesichtes stockte ihr Schritt. Sein Teint war hell, obwohl Augenbrauen und Augen tiefschwarz waren, ebenso sein kleiner Spitzbart. Unter dem Burnus trug er eine dunkelgrüne Jacke, und sie sah schimmernde Ordenszeichen, bevor er das Gewand auf der Brust zusammenzog. Aber seine Augen waren es, die sie im Bann hielten. Groß und schwarz wie die Nacht... in einem Gesicht von einer so kraftvollen Würde, daß Jean instinktiv fühlte, wer dieser Mann war.
    So standen sie sich sekundenlang gegenüber und blickten einander an, dann trat der Maure zur Seite.
    »Pardon«, sagte er auf französisch, »hoffentlich habe ich Sie nicht erschreckt.«
    Jeans Atem ging schneller. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals in ihrem Leben einen Mann getroffen zu haben, der einen so starken Eindruck auf sie gemacht hätte. Sie vergaß ihre Verachtung für farbige Menschen, vergaß alles, mit Ausnahme der beiden dunklen Augen, deren Ausdruck sie einen ihr verwandten Geist ahnen ließ.
    »Sie sind Engländerin - natürlich«, sagte er auf englisch.
    »Schottin«, lächelte Jean.
    »Das ist doch beinahe das gleiche?« Er sprach ohne irgendwelchen Akzent, und seine Stimme kennzeichnete den gebildeten Mann. Er war zurückgetreten, um sie vorbeigehen zu lassen, aber sie blieb stehen.
    »Sie sind doch Muley Hafiz?« fragte sie, und er nickte langsam. »Ich habe schon soviel von Ihnen gelesen«, fügte sie hinzu, obwohl sie in Wirklichkeit das erste Wort über ihn von Lydia gehört hatte.
    Er lachte und ließ zwei Reihen blendendweißer Zähne sehen.
    »Ich glaube, von internationalem Interesse zu sein«, sagte er leichthin und blickte nach seiner Begleitung.
    Jean glaubte, er wolle dahin zurückgehen, und wäre weitergegangen, wenn er sie nicht aufgehalten hätte.
    »Sie sind die erste englisch sprechende Person, mit der ich seit meinem Aufenthalt in Frankreich einige Worte wechsle - mit Ausnahme des amerikanischen Botschafters«, und er lächelte leise, wie in Erinnerung an eine heitere Episode.
    »Sie sprechen beinahe wie ein Engländer.«
    »Ich war in Oxford und mein Bruder in Harvard. Mein Vater, der Bruder des verstorbenen Sultans, war sehr fortschrittlich gesinnt und hielt darauf, daß seine Kinder eine europäische Erziehung erhielten. Wollen Sie sich nicht setzen?« fragte er und wies auf den weißen Sand.
    Sie zögerte einen Augenblick und ließ sich dann nieder. Mit gekreuzten Beinen nahm er neben ihr Platz.
    »Ich bin vier Jahre lang in Frankreich gewesen«, es schien ihm viel daran zu liegen, sie

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