017 - Orungu - Fratze aus dem Dschungel
dem
Totengräber ein Rätsel.«
Montands Beamte brachten Pater
Muriel.
Der Geistliche schien sich in der
Zwischenzeit wieder von dem Schrecken erholt zu haben. In der Begleitung der
Polizisten fühlte er sich auch offensichtlich wohl.
Muriel war schlank und fast zwei
Meter groß. In seiner schwarzen Kleidung wirkte er wie ein dunkler Strich in
der Landschaft. Der kleine, magere Kopf sah aus wie eine etwas eckig geratene
Kugel, die von dem steifen weißen Kragen begrenzt wurde.
»Was haben Sie alles gesehen,
Pater ?« fragte Montand kaum dass Muriel scheu gegrüßt
hatte.
»Es hört sich verrückt an, Kommissar,
ich weiß. Ich habe angefangen, an meinem Verstand zu zweifeln. Ich habe mit mir
kämpfen müssen, ehe ich mich dazu entschloss, Ihnen Bescheid zu geben. Dem
örtlichen Kommissariat eine Mitteilung zu machen, habe ich schon gar nicht
gewagt. Man kann in einer kleinen Stadt sehr schnell in ein falsches Licht
geraten .« Muriel wischte sich mit der knochigen Hand
über die schweißnasse Stirn. »Aber nachdem ich meine innere Festigkeit
zurückgewonnen hatte, überwand ich mich und rief Sie an. In der Zeitung heute
stand, dass Sie um Mithilfe der Bevölkerung bitten. Hier geht es nicht mehr
allein um den Leichenraub, den bisher noch niemand klären konnte. Es geht um
weitaus Schlimmeres. Ich habe einen Toten gesehen, den ich vor achtundzwanzig
Stunden beerdigt habe !«
»Erzählen Sie der Reihe nach,
Pater«, sagte Larry mit ruhiger Stimme. »Wir können uns dann ein besseres Bild
machen. «
»Wie ich bereits am Telefon sagte,
war ich unterwegs. Mein allabendlicher Spaziergang - oder besser, meine
Spazierfahrt. Ich war mit dem Rad unterwegs. Als ich am Haupttor des Friedhofs
vorbeikam, sah ich die helle Gestalt. Im ersten Augenblick dachte ich, das
Mondlicht zwischen den Baumreihen gaukele mir etwas
vor. Aber die Gestalt bewegte sich und näherte sich dem Tor. Ich stand auf der
entgegengesetzten Straßenseite .« Muriel schien froh zu
sein, über diese Dinge sprechen zu können. An Ort und Stelle zeigte er seinen
Zuhörern, wo er gestanden hatte und an welcher Stelle er den
wiederauferstandenen Toten wahrnahm. - »Ich blieb wie angewurzelt im Schatten
der Alleebäume stehen und starrte benommen auf etwas, das doch nicht sein
konnte, Messieurs! Ich sah die Gestalt an der Mauer entlanggehen, in seltsam
kantigen, verrenkten Bewegungen. Sie verschwand auf dem kleinen Pfad, der an
der anderen Mauerseite entlang führt .«
Sie gingen dorthin: Larry Brent,
Kommissar Montand, Pater Muriel und ein Assistent des Kommissars. Schweigend
schritten sie den dunklen Pfad entlang. Auf dem weichen Boden sah man Abdrücke
von nackten Füßen.
»Insgesamt sind vier Leichen aus
ihren Gräbern entwichen«, murmelte Montand. »Meine Leute sind damit
beschäftigt, herauszubekommen, wer in den Grabstätten beigesetzt wurde. Die
Gestalt, die Sie sahen, Pater, kannten Sie. Wer war es ?«
»Monsieur Adam Claque.
Fünfundvierzig. Starb an Leukämie .«
»Hatte Claque Verwandte ?« schaltete sich Larry Brent ein.
»Er hinterließ eine Frau und zwei
Kinder .« Muriel blickte den Agenten aus großen Augen
an. »Warum fragen Sie danach, Monsieur ?«
X-RAY-3 lächelte kaum merklich.
Sein braungebranntes, markant geschnittenes männliches Gesicht drückte Ernst
und Sorge aus. »Sie sprachen davon, dass Sie einen Toten sahen, von dem Sie
genau wissen, dass er nicht mehr leben kann. Sie haben sich Gedanken darüber
gemacht, wie dieser Tote - dessen verlassenes Grab Sie vorhin inspiziert haben
- wohl aus dem Erdreich zurückkam. Auch ich habe mich das gefragt. Inzwischen
bin ich aber einen Schritt weitergegangen: Mich interessiert, wohin sich dieser
Tote gewandt haben könnte. Auf dem Friedhof ist er nicht mehr, wir haben alles
durchsucht, und Kommissar Montands Leute sind zum Teil noch immer damit
beschäftigt, auch die nähere Umgebung abzusuchen. Wenn man diesen Pfad
weitergeht, Pater, wohin kommt man da? Führt dieser Weg ebenfalls in den Ort ?«
Muriel nickte sofort. »Ja, auf Umwegen.
«
»Irgendwo müssen sich die Leichen
ja verstecken«, fuhr Larry fort. »Da aus St. Remy keine weiteren
Schreckensbotschaften zu hören waren, muss man annehmen, dass sich die Leichen
an einen stillen Ort zurückgezogen haben. In Luft können sie sich schlecht
auflösen. Sie kamen aus den Gräbern - und sie müssen sich jetzt irgendwo
verbergen. Was liegt näher als der Gedanke, dass ihre eigene Wohnung ihnen den
besten Unterschlupf bietet
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