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0170 - Entführt in die Schattenwelt

0170 - Entführt in die Schattenwelt

Titel: 0170 - Entführt in die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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verblüfft nach oben in den giftgrünen Himmel.
    Es hatte zu regnen begonnen. Während das Himmelsgewölbe am Horizont blutrot aufleuchtete, als wütete dort ein Großfeuer, klatschten hier, wenige hundert Meter von der verwinkelten Trutzburg entfernt, die sich wie ein ins Riesenhafte gewachsenes Panoptikum eines Wahnsinnigen in den fürchterlichen Himmel reckte, faustgroße, fast schwarze Tropfen auf die beiden Menschen hinab.
    Karmann packte sich an die Schulter, wo ihn einer dieser Tropfen berührt hatte. Eine ätzende Flüssigkeit rann seinen Arm hinab, brannte höllisch. Mit schmerzverzogenem Gesicht wischte er die klebrige Substanz ab.
    »Es regnet Säure!« schrie er und packte Eileen an der Hand. »Kommen Sie! Wir müssen Unterschlupf finden!«
    Sie spurteten los, versuchten, den Säuretropfen auszuweichen. Der Himmel über ihnen veränderte seine Färbung: Aus dem obszönen Grün wurde ein starkes Violett, dann ein schier undurchdringliches Schwarz.
    Nur noch wenige Meter waren sie von den kippenden Wällen der Trutzburg entfernt, als der Säureregen mit voller Wucht losbrach. Eileen schrie auf, als sie einer der faustgroßen Tropfen auf dem Oberschenkel traf.
    Sie riß sich von Karmann los und hetzte, eng an den dunklen Wall des unheimlichen Gebäudes gepreßt, weiter. Die unnatürlich schrägliegende Wand schützte sie vor dem Regen, doch nur zehn Zentimeter von ihnen entfernt prasselten die Tropfen unablässig auf den schlammigen Erdboden.
    Ein lautes Zischen übertönte jedes andere Geräusch. Eileen blickte zurück. Wo sie sich gerade noch befunden hatten, brodelte der Boden geradezu; fetter, schwarzer Nebel stieg empor und drang schmerzhaft beißend in ihre Lungen.
    Eileen betrachtete ihren Oberschenkel. Dort, wo der Tropfen sie getroffen hatte, hatte die Haut sich verwandelt, war dicker geworden, erinnerte fast an einen Panzer. Glücklicherweise fühlte sie keinen Schmerz mehr.
    Sie drehte sich zu Karmann um. Der Industrielle hatte nicht so viel Glück gehabt wie sie; er war von mehreren Tropfen getroffen worden, und seine Schultern und Arme waren fast völlig von dem Panzer bedeckt. Wie ein riesiges Insekt schob sich Karmann vorwärts.
    So abrupt der Regen begonnen hatte, so abrupt hörte er auch wieder auf. Nach einer Weile legten sich die dichten, öligen Nebelschwaden und enthüllten eine verwüstete Landschaft.
    Soweit das Auge reichte, erstreckte sich eine gleichförmige Einöde aus aufgewühltem, dunklem Lehm. Der Nebel kondensierte zu einigen großen Pfützen, fast schon kleinen Bächen gleich. Überall brodelte es; die Erde schien sich umzuwälzen, war in konstanter Bewegung.
    Wie eine Vision, die sie gehabt hatte, nachdem Doktor Wellington systematisch begonnen hatte, ihre parapsychologischen Fähigkeiten auszubauen. Damals hatte sie geglaubt, ein unermeßliches Schlachtfeld zu sehen, eine aufgewühlte Einöde, in deren Erdboden die Toten zu neuem Leben erwacht waren und damit begonnen hatten, sich einen Weg durch die lockere, widerlich stinkende Erde zu graben. Fast glaubte sie, jeden Moment Knochenhände zu sehen, die die Oberfläche erreichten und ihren Skelettkörper freischaufelten…
    Karmann riß sie aus ihrer Trance. »Wir müssen weiter!« fauchte der Industrielle. »Diese… Burg ist nicht natürlichen Ursprungs. Sehen Sie sich nur diese Winkel an, in denen die einzelnen Wälle zueinander stehen…«
    Eileen sah hoch. Tatsächlich, man konnte glauben, die Burg würde jeden Moment über ihnen Zusammenstürzen. Schräg nach vom lief ein Wall, nur um von einem zweiten abgelöst zu werden, der - irgendwie in sich gekehrt - entgegengesetzt zurücklief. Sie sah zwar diese Geometrie, aber verstehen oder gar beschreiben konnte sie sie nicht.
    »Wenn jemand die Burg erbaut hat, können wir davon ausgehen, daß er sich auch noch darin aufhält. Vielleicht kann er uns wieder in unsere Welt zurückschicken!«
    Eileen nickte. Sie marschierten weiter, eng an den Wall gepreßt, aus Furcht, ein neuer Säureschaüer könne über ihnen losschlagen.
    Wie lange befanden sie sich eigentlich schon auf dieser… Welt? Eine Sonne stand nicht am eigenartig gewölbten, obszön grünen Himmel; auch waren keine Sterne zu sehen, sondern nur diese unerträglichen Wolkengebilde, die urplötzlich entstanden und wie menschliche Gesichter, verzerrt von äußerstem Schmerz, wirkten, um im nächsten Moment wieder von dem Schwefelwind auseinandergerissen zu werden.
    Und… befanden sie sich wirklich auf einer Welt?

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