0170 - Entführt in die Schattenwelt
weiß.« Nicole nickte und legte die Hand auf seine Schulter. Tröstend streichelte sie ihn.
Immer deutlicher wurde die Veränderung, die langsam mit Zamorra vonstatten ging. Wie war er doch in den ersten Wochen und Jahren ihres gemeinsamen Zusammenlebens gewesen… Kühn, herausfordernd, ein wenig unbesonnen manchmal, immer gewillt, den Kampf gegen die Dämonen aufzunehmen. Und heute? Eine Entscheidung dieses Kampfes war noch nicht gefallen. Sie hatten viele Siege errungen, aber auch manche Niederlagen.
Und Zamorra war besonnener geworden. Es schien, als würde er mit der Zeit immer deutlicher erkennen, daß er sich auf eine Sysiphus-Arbeit eingelassen hatte. Die Heerscharen der Dämonen waren schier unendlich. Für jeden besiegten Gegner tauchte ein neuer auf, für jedes gelöste Geheimnis der Dämonenwelt folgten drei weitere, deren Enträtselung fast unmöglich schien.
Und doch gab Zamorra nicht auf. Trotz allem stellte er sich gegen den Ansturm der Dämonen, der die Erde zu überfluten drohte. Ein einsamer Wissender, ein Fels in der schäumenden Brandung, aber ein Fels, der nicht vom Wasser abgeschliffen und schließlich zersplittert, sondern der immer mächtiger, immer reifer, immer wissender wurde.
Sie liebte ihn nicht nur, sie bewunderte ihn auch. Und sie brauchte ihn.
Genau wie er sie brauchte. Nicht nur im Kampf gegen die Dämonen, sondern auch als Mensch. Als Partner.
»Wenn das Amulett pulsiert, will es uns normalerweise warnen«, sagte sie. »Wir sind zwei Anschlägen entgangen. Vielleicht kommt ein dritter…«
»Bestimmt kommt ein dritter. Aber das ist es nicht. Ich glaube, wir haben uns auf etwas eingelassen, dessen Dimension wir noch nicht völlig durchschauen.« Er umschloß das Amulett mit der Hand und richtete sich auf. Neue Energie schien ihn zu durchpulsen, und sein Blick wurde entschlossen.
Wie ein Fels in der Brandung, dachte Nicole.
»Rekapitulieren wir«, sagte Zamorra. »Wir werden zu der jährlichen Versammlung der Britischen Gesellschaft für Parapsychologie eingeladen, und zwar von Doktor Wellington, einem Kollegen, der in den gängigen Fachzeitschriften einige aufsehenerregende Thesen und Entdeckungen veröffentlicht hat. Mehr noch, hinter der Einladung steckt ein Hilferuf…«
»Du spielst auf Eileen O’Shea an?«
»Ja! Doktor Wellington hat ein Medium entdeckt, ein Mädchen, das über starke parapsychische Eigenschaften verfügt und in letzter Zeit unter Wahnvorstellungen leidet, unter Visionen, die uns Wellington aufs Eindringlichste geschildert hat.«
»Dann befürchtet Wellington, irgendwelche übersinnlichen Mächte - ich nehme an, er weiß nichts von den Dämonen und der Schwarzen Familie - bedrohen sein Medium?«
Zamorra nickte. »Wellington schickt uns einen Kollegen, Penderton, der uns zu ihm bringen soll. Unterwegs werden zwei Anschläge auf uns verübt… von Dämonen initiierte Anschläge…«
»… die uns daran hindern sollen, Wellington und sein Medium zu erreichen!« vollendete Nicole den Satz.
»Das habe ich bislang auch gedacht!« Zamorra erhob sich und durchschritt unruhig den Raum. Vor der Heizung blieb er stehen und öffnete die Vorhänge vor dem darüberliegenden Fenster einen spaltbreit. Angestrengt spähte er hinaus.
»Eldridge Castle!« sagte er gedankenverloren. »Ein Schloß, das in dem Ruf steht, verwunschen zu sein. Ein Spukschloß…«
Nicole trat zu ihm ans Fenster. »Du meinst…«
Zamorra nickte. »Wenn es sich wirklich um das handelt, was allgemein mit dem Begriff Spukschloß bezeichnet wird - ein Ort also, an dem parapsychische Energie brachliegt, die schützende Wand zum Jenseits fürchterlich dünn ist…«
»Dann könnte es einen Riß zwischen den Daseinssphären geben, einen Durchschlupf für einen Dämonen, der uns an den Kragen will!« Nicole stieß zischend die Luft aus. »Natürlich. Das ist eine Möglichkeit. Vielleicht warten die Dämonen der Schwarzen Familie nur, daß die Stemkonstellationen richtig stehen und sie auf die Erde einstürmen können, um sich an uns zu rächen. Dann sollten die beiden Anschläge nicht verhindern, daß wir mit Eileen O’Shea in Kontakt treten, sondern nur bewirken, uns hier festzusetzen. Ohne Auto und in diesem Regen mußten wir einfach in dem Gasthof übernachten. Wir sind in eine Falle geraten!«
Zamorra legte beruhigend den Arm um eine Schulter. »Eine Theorie, mehr nicht«, schränkte er ein. »Doch wenn sie zutrifft, würde es bedeuten, daß Wellington gemeinsame Sache mit der
Weitere Kostenlose Bücher