0170 - Entführt in die Schattenwelt
schützend vor seine Gefährtin.
»Mhyrwidden!« schrie die O’Shea. »Was ist los mit dir? Warum willst du uns Übles?«
Das Skelett antwortete nicht, stierte sie nur aus seinen leeren Augenhöhlen an. Obwohl die Augenbälle fehlten, fühlte Eileen den Blick des Toten auf ihrem Körper; ein Phänomen, über das sie sich schon zuvor Gedanken gemacht hatte.
»Eldridge!« sagte das Medium eindringlich. »Hast du vergessen, daß du einmal ein Mensch gewesen bist?«
»Mensch…« Das Wort des Toten war kaum zu verstehen. »Mensch…«
Das Skelett sprang, schoß geradezu durch die Luft. Karmann schmiß sich ihm in den Weg, drückte es beiseite.
Mit einem wuchtigen Hieb löste der Tote die Umklammerung des Gepanzerten und griff seinerseits zu. Die Knochenklauen glitten an der Schulterpanzerung des Industriellen ab, fanden erst an seinen Handgelenken Halt. Karmann versuchte vergeblich, sich aus dem Griff zu lösen.
Das Skelett hob ihn in die Höhe. Aufschreiend trat Karmann mit dem Knie zu, fühlte, wie seine Panzerung auf Knochen stieß, aber der Tote zeigte keinerlei Reaktion. Er wirbelte Karmann durch die Luft und schleuderte ihn gegen die steinerne Mauer der Trutzburg, die sich zehn Meter entfernt hochreckte.
Ächzend blieb Karmann liegen, schüttelte sich dann benommen. Die Panzerung hatte den Industriellen vor Verletzungen bewahrt.
Der Tote baute sich vor Eileen auf, griff nach ihr. »Ein… Mensch…« krächzte er. »Lebend! Du…«
Abrupt blieb er stehen, reckte sich. Die Organe an seinem Körper pulsierten, bildeten sich immer rascher zu einem vollständigen menschlichen Körper zurück.
Eileen ließ das Ungetüm nicht aus den Augen, schritt seitwärts zu Karmann. Der Industrielle war schon wieder auf den Beinen, wenn auch ein wenig schwankend. »Die Panzerung hat ihre Vorteile«, knurrte er sarkastisch.
»Ich werde aus Eldridge nicht schlau«, flüsterte Eileen. »Erst will er uns an den Kragen, dann führt er uns durch die Schattenwelt, dann greift er uns erneut an, nur um einfach stehenzubleiben…«
»Sie wollten ihm folgen!« zischte Karmann vorwurfsvoll.
»Er… ist… da…« preßte das Skelett heraus. »Er… ist endlich… angekommen… Ich spüre es… an… seiner Aura! Der Weiße Magier hat… mein Reich betreten!«
Dann wirbelte der Tote herum und rannte los.
»Schnell!« rief Karmann und setzte nach. Aus den Augenwinkeln sah er, daß sowohl Eileen als auch Larringer und sogar der apathische Higgins ihm folgten. Er verlangsamte das Tempo ein wenig, damit Eileen zu ihm aufschließen konnte, ohne daß sie den skeletthaften Toten aus den Augen verloren.
»Wenn ich je etwas gesagt habe, an das ich felsenfest glaube«, stieß der Industrielle beim Laufen hervor, »Dann in diesem Moment.«
»Was glauben Sie denn?« fragte Eileen.
»So oder so… jetzt kommt es zu einer Entscheidung!«
***
Professor Zamorra hatte kaum die ersten Eindrücke der Schattenwelt in sich aufgenommen, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel: Sie waren in eiriie Falle gelockt worden, in eine viel kompliziertere Falle, als er es sich anfangs gedacht hatte.
Und noch etwas bemerkte der Wissende plötzlich: Eine trübsinnige Niedergeschlagenheit, eine Lethargie, die ihn seit dem Überfall der Wolfsmenschen niedergedrückt hatte, war von ihm gewichen. Erst jetzt, im Nachhinein, begriff Zamorra, daß er sich im Normalfalle nie so abwartend, so unentschlossen gezeigt hätte.
Irgend jemand hatte ihn manipuliert. Und es bestand nicht der geringste Zweifel an der Identität dieses Jemands: Ein Mitglied der Schwarzen Familie mußte es sein, ein Dämon, der genug Machtfülle besaß, sein Amulett zu täuschen, zu überlisten.
Eigentlich kam nur einer in Frage -Asmodis, Fürst der Finsternis, Oberhaupt der Schwarzen Familie, der schon mehr als einmal regelrechte Treibjagden auf ihn und Nicole veranstaltet hatte.
»Nici!« rief Zamorra. »Was habe ich nur getan! Wie konnte ich nur zulassen, daß du und die anderen mit in diese dämonische Schattenwelt gezerrt wurden…«
Sie blinzelte ihn an. »Du konntest nichts dafür, Ghef ! Es war ein Bann, der auf das Amulett gelegt wurde, um dich zu täuschen, nicht wahr?«
»Natürlich.« Der Wissende sah sich um. Nur im ersten Moment hatte der grauenhafte Anblick des Schattenreiches, der Zwischenwelt zwischen den Daseinsebenen, die Sphäre eines Dämons oder eines Handlangers der Dämonen, ihn mit Schrecken versetzt. Er hatte schon ganz andere Anblicke wahrzunehmen und diese
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