0173 - Der Tod lädt ein zum Maskenball
aufhören, Evan«, rief sie und schlug mit der Hand auf die Tischplatte. Der Schmuck an ihrem Handgelenk klirrte.
Beverley wandte ihr den Kopf zu. »Okay, Judith«, sagte er, »fangen wir gleich mit dir an.«
Er streckte eine Hand aus, zeigte auf die Frau und sah uns an.
»Das ist Judith, meine Schwester, aber obwohl sie meine Schwester ist, möchte sie mich genauso gern umbringen wie alle anderen, die hier sitzen.«
Wenn jemand eine Gruppe von Menschen der Mordabsicht beschuldigt, pflegen diese Menschen sich gewöhnlich dagegen zu empören und zu verwahren. Hier geschah nichts dergleichen. Weder sprangen sie auf, noch widersprachen sie in irgendeiner Form. Die Frau, die vorher auf dem Tisch geschlagen hatte, zuckte lediglich die Achseln, und ein Mann, der rechts von Beverley saß, sagte: »Wirklich, er wird täglich verrückter.«
Ich sah mir den Mann an. Auch er war etwa so alt, wie Evan Beverley, und man erkannte auf den ersten Blick, dass sie miteinander verwandt sein mussten. Er hatte die gleiche hohe Gestalt, das gleiche spärliche graue Haar und das gleiche scharfe Gesicht.
Der Millionär drehte ihm das Gesicht zu wie ein Raubvogel, der zustoßen will.
»Ich bin nicht deiner Meinung, Jonathan«, sagte er scharf. »Ich weiß genau, was ich gesagt habe, und ich nehme dich durchaus davon nicht aus.«
Wieder wandte er sich an uns.
»Merken Sie sich diesen Mann genau«, rief er, »es ist Jonathan Crowell, und er ist mein Vetter. Aber so wenig wie sich Judith von der Tatsache, dass sie meine Schwester ist, davon abhalten lassen würde, mich umzubringen, sobald sie eine günstige Gelegenheit erwischte, ebenso wenig würde Jonathan zögern, obwohl wir nahe miteinander verwandt sind.«
Crowell legte den Kopf in den Nacken und lachte. Er lachte lange. Dann nahm er ein Taschentuch, wischte sich die Tränen ab und fragte: »Warum sollte ich dich umbringen, Evan?«
»Weil du mein Vermögen an dich bringen willst«, schrie Beverley.
Der andere zuckte die Achseln. »Dein Vermögen! Ich glaube, an deinem Vermögen ist nicht mehr viel dran.«
Ich hatte den Eindruck, dass sich dem Millionär die Haare auf dem Kopf sträubten wie bei einem Vogel die Federn.
»Willst du leugnen, dass du die Aktien der Continental an dich bringen möchtest, die ich besitze?«, kreischte er. »Du möchtest die Gesellschaft führen, aber du kannst es nicht, solange du nicht die Mehrheit hast. Du wirst die Mehrheit aber nicht bekommen, solange du dich nicht mit mir verständigst. Du aber willst nichts zahlen. Über den Umweg über einen kleinen Mord kämst du billiger an die Papiere.«
Crowell winkte ab. »Die Continental Was ist das schon für eine Gesellschaft. Sie interessiert mich überhaupt nicht.«
»Und dass ich dir damals bei dem Geschäft mit dem Ölaktien zuvorgekommen bin, hast du auch nicht vergessen«, schrie Beverley.
Auch Crowell sträubten sich jetzt die Haare. »Das gleicht sich aus«, sagte er wütend. »Ich habe dich dafür bei der Lester Bank hereingelegt.«
Beverley fuchtelte mit beiden Händen. »Das war eine Kleinigkeit. Hingegen hast du die Eisenbahn-Transaktion bis heute nicht verschmerzt, und ich erinnere mich genau, wie du damals…«
Jonathan Crowell stieß seinen Stuhl zurück und sprang auf. »Aber bei der Denwell Gesellschaft habe ich dich herausgebissen«, entgegnete er seinem Vetter wütend. »Und im Cryer & Co.- Fall hast du mehr als die Hälfte deiner Einlage…«
***
Ich glaube, ihr Streit dauerte länger als zehn Minuten. Sie warfen sich gegenseitig vor, wann, wie und wo der eine dem anderen das Leben schwer gemacht hatte. Schließlich streckte Evan Beverley beide Arme aus und rief uns zu: »Wenn Sie mich je als Leiche finden sollten, dann verhaften Sie diesen Mann!«
Ich hätte mich nicht gewundert, wenn jetzt eine Prügelei zwischen den beiden alten Männern entstanden wäre, aber Jonathan Crowell setzte sich ruhig auf seinen Stuhl, tupfte sich die Stirn mit dem Taschentuch ab und sagte überraschend ruhig: »Du wirst im Irrenhaus enden, Evan, daran ist kein Zweifel.«
Auch der Millionär setzte sich wieder. Der Streit schien so schnell zu enden, wie er begonnen hatte.
»John«, rief er seinem Sekretär John Ralswood zu, der am unteren Ende des Tisches saß, »besorge mir ein Glas Wasser!«
Anstelle des Sekretärs sprang eine Frau auf. Ich erkannte in ihr die Blondine wieder, die am Schwimmbecken im Liegestuhl gelegen hatte. Jetzt trug sie ein dunkles, glattes und sehr seriös
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