0173 - Die Werwolf-Sippe
ließ.
Der Name Lupina war gefallen und hatte damit die Verbindung zu Dr. Tod und der Mordliga geschaffen. Erst vor einigen Tagen hatte ich meinem Erzfeind fast gegenübergestanden. Bevor es jedoch zu einer Begegnung kam, war er geflohen. Sollte er sich nach Frankreich abgesetzt haben, um dort zu einem neuen Schlag auszuholen.
Daran wollte ich nicht glauben. Solo Morasso, wie Dr. Tod auch hieß, suchte nach wie vor sein letztes Mitglied der Mordliga, Xorron genannt. Lupina paßte mir nicht in dieses Spiel. Hatte er sie vielleicht allein losgeschickt?
Bill und Jane warfen mir bezeichnende Blicke zu. Auch sie wußten Bescheid und warteten auf meine Frage, die ich auch gleich danach stellte.
»Hatte Ihre Tochter vielleicht Kontakt zu dieser Lupina, Mrs. Rutland?«
»Nein, Mr. Sinclair. Das konnte man den Briefen nicht entnehmen. Sie hat nur den Namen geschrieben und mir mitgeteilt, daß man auf sie wartete.«
»Wer?«
Etwas erstaunt schaute mich die Frau an. »Meine Tochter, glaube ich. Vielleicht auch dieser Marcel.«
»Der bestimmt.«
Mrs. Rutland lächelte etwas verlegen. »Ich weiß nicht, Mr. Sinclair, ob es richtig war, Ihnen die Geschichte zu erzählen. Vielleicht langweilt es Sie auch. Ich hatte gestern mit Mrs. Conolly darüber gesprochen, und sie war der Meinung, daß man Sie hinzuziehen sollte, Herr Oberinspektor.«
»Da hat Mrs. Conolly genau richtig reagiert.« Ich warf Sheila einen lobenden Blick zu.
»Dann halten Sie mich nicht für überdreht oder für eine Spinnerin?«
»Auf keinen Fall«, wehrte ich ab. »Aber um noch einmal auf Ihre Tochter zurückzukommen. Haben Sie Sue in der letzten Zeit zu Gesicht bekommen?«
»Ja.«
»Kam sie Ihnen verändert vor?«
»Lassen Sie mich nachdenken.« Die Frau überlegte eine Weile, bevor sie antwortete. »Direkt verändert nicht, aber sie war stiller geworden als sonst. In sich gekehrter.«
»Hat sie von Lupina gesprochen?«
»Nein, der Name wurde nur im Brief erwähnt. Und das war nach unserem Treffen.«
Ich war mit meiner Fragerei noch nicht am Ende. »Hat Ihre Tochter während der Ferien bei Ihnen gewohnt?«
»Natürlich, das sagte ich.«
Ich lächelte. »Sorry, ich vergaß. Meine Frage zielte eigentlich in eine andere Richtung. Wie verhielt sich Ihre Tochter des nachts?«
Mrs. Rutland wurde ein wenig rot. »Ist das nicht etwas indiskret gefragt, Mr. Sinclair?«
Bill stand mir bei. »Es geht hier nicht um das nächtliche Liebesleben Ihrer Tochter, das wir ihr alle gönnen, sondern um ihr Verhalten.«
Ich nickte bestätigend.
»Ja«, meinte Mrs. Rutland nach einer Weile. »Dann kann ich Ihnen nicht viel sagen. Sue ist niemals ausgegangen. Sie war immer zu Hause, und das wunderte mich. Nachts stand sie am Fenster und schaute hinaus.«
»In den Himmel?« fragte ich zwischen.
»Ja, zum Mond hoch, wenn Sie es genau wissen wollen. Ich habe sie mal danach gefragt. Da nahm sie mich an die Seite, lächelte und sagte: Ist er nicht fantastisch, Mum? Dieser Mond ist doch viel schöner als die Sonne.«
»Was haben Sie darauf geantwortet?« wollte ich wissen.
»Nichts. Zuerst habe ich gelacht. In den nächsten beiden Nächten bin ich wieder ins Bett gegangen und hinterher überhaupt nicht mehr aufgestanden.«
»Wo liegt das Internat?« erkundigte ich mich.
»In Frankreich.« Sie hüstelte. »Wollen Sie wirklich dorthin fahren, Mr. Sinclair?«
»Alle Anzeichen sprechen dafür.«
»Aber es ist nichts passiert. Meine Tochter ist keine Verbrecherin.«
»Das habe ich auch nicht gesagt. Sie kennen doch das Sprichwort: Vorbeugen ist besser.«
»Natürlich.« Mrs. Rutland strich ihren Rock glatt und erhob sich.
»Dann möchte ich mich verabschieden«, sagte sie.
Auch wir standen auf. »Darf ich Sie noch um die Adresse bitten, Mrs. Rutland?«
»Pardon, das hätte ich fast vergessen. Hier.« Sie öffnete ihre Handtasche und holte eine kleine Karte hervor, auf die der Name gedruckt war.
Ich las halblaut und übersetzte auch gleich. »Internat für Mädchen und anerkannt als internationale Schule. Graveline, Rue Marique 45.« Ich wandte mich an Bill. »Kennst du den Ort?«
»Nein.«
»Nicht weit von Calais«, erklärte Mrs. Rutland. »Etwa 25 Meilen.«
»Das ist ja ein Katzensprung«, lachte ich.
»Und was werden Sie unternehmen, Mr. Sinclair?« erkundigte sie sich.
»Das weiß ich noch nicht.«
»Auf jeden Fall vielen Dank.« Sie wandte sich zum Gehen und wurde von Bill begleitet.
Jane stieß mich an. »Willst du tatsächlich fahren?« fragte
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