0173 - Die Werwolf-Sippe
ein paar zähe Fleischreste hingen.
Die Frau war mit ihrem Jungen weitergegangen. Sie standen jetzt vor dem zweiten Wagen.
Auch hier das gleiche Bild.
Zwei Wölfe befanden sich in dem Käfig. Allerdings lagen sie auf dem Boden. Satt und träge, sie ließen sich auch nicht durch unsere Blicke stören.
»Willst du noch weiter schauen?« fragte die Frau.
Billy nickte heftig. »Da sind ja zwei Wagen. Vielleicht gibt es da andere Tiere?«
Die Mutter lächelte. Sie meinte mich, als sie sagte: »Er ist sehr tierlieb, müssen Sie wissen. Wir haben zu Hause auch zwei Hunde und eine Katze. Billy spielt fast den ganzen Tag mit ihnen.«
»Freuen Sie sich«, erwiderte ich. »Menschen, die gut zu Tieren sind, findet man selten.«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Das haben Sie nett gesagt.«
Billy war schon weitergelaufen. Und zwar um die Wagen herum, denn jeweils zwei von den vieren standen Rücken an Rücken.
Die Frau war anscheinend froh, einen Gesprächspartner gefunden zu haben, denn sie fragte: »Fahren Sie auch nach Paris?«
»Nein, Madam, ich bleibe in der Nähe von Calais.«
»Wir wollen heute abend in Paris sein. Meine Schwester wohnt dort. Sie ist vor zwei Jahren nach ihrer Hochzeit hingezogen, und wir besuchen sie jetzt zum erstenmal.«
»Da wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.«
»Danke, Mister. Kennen Sie Paris?«
»Ich war schon da.«
»Und?«
»Was soll ich Ihnen da sagen?« Ich hob die Schultern. »Wäre ich als Tourist gekommen, hätte es mir wahrscheinlich ungeheuren Spaß gemacht, aber damals war ich geschäftlich dort.« Das stimmte, denn da hatte ich Belphégor gejagt, der sich wahrscheinlich noch immer in der Mikrowelt aufhielt. [3]
»Mummy, Mummy!« Beide hörten wir den Jungen schreien. Und beide liefen wir auch um die Wagen herum.
Billy stand vor einem. Er war völlig aufgeregt und hatte eine Hand ausgestreckt. Sein Zeigefinger deutete auf die Gitterstäbe. Im ersten Moment war nichts Außergewöhnliches festzustellen, bis ich genauer nachschaute und nun wußte, weshalb der Junge geschrien hatte.
Rechts an der Seite stand die Käfigtür offen. Alles wies daraufhin, daß die beiden Tiere den Wagen verlassen hatten, denn ich sah auf dem Boden nasse Abdrücke.
Auch die Frau begriff. »Mein Gott«, flüsterte sie. »Was ist da geschehen?«
»Gehen Sie hoch, schnell!« drängte ich.
Zu spät.
Hinter dem Jungen tauchte bereits ein Schatten auf. Und auch in meinem Rücken hörte ich ein drohendes Knurren.
Die beiden Wölfe hatten uns eingekreist!
***
Der Junge bewegte sich und wollte sich schutzsuchend an seine Mutter klammern.
»Nicht!« rief ich.
Er blieb tatsächlich stehen. Sein Gesicht war verzerrt. Die Angst leuchtete aus seinen Augen. Wenn der Kleine jetzt durchdrehte, dann würden auch die Wölfe verrückt.
Es wurde still.
Auch die Mutter des kleinen Billy stand wie festgewurzelt auf dem Fleck. Sie wagte nicht einmal zu atmen und hielt die Luft an.
Hinter mir hörte ich das schleichende Tappen der Pfoten. Der Wolf näherte sich mir. Meine Nackenhaare stellten sich aufrecht, in der Kehle breitete sich ein trockenes Gefühl aus. Wenn der Wolf sich abstieß und in meinen Nacken hechtete, konnte er mir mit einem Biß den Hals durchbeißen.
Zum Glück war ich bewaffnet. Ich hatte mir inzwischen angewöhnt, die Silberkugel-Beretta überall mithinzunehmen. Allerdings mußte ich nur schnell genug an die Waffe herankommen, bevor der Wolf sich abstieß und mich ansprang.
»So tun Sie doch was!« flüsterte die Frau plötzlich. »Sie können uns doch nicht…«
»Sein Sie still!« zischte ich.
Verdammt, ich befand mich wirklich in einer Zwickmühle. Wenn die Frau und der Junge nicht gewesen wären, hätte ich eine gute Chance gehabt, aber so…
Es gelang mir, meine Waffe zu ziehen. Die Wölfe warteten ab.
Schweiß rann mir den Rücken hinab. Er hatte sich zuvor im Nacken gesammelt und meine Haare am Hinterkopf angefeuchtet.
»Kommen Sie vor!« flüsterte ich scharf. »Versuchen Sie es, Madam! Aber langsam.«
Sie schaute mich an, dann warf sie einen Blick auf ihren Sohn, der die Hand seiner Mutter genommen hatte und diese fest umkrallt hielt.
»Machen Sie schon!« Ich wollte, daß sie sich bewegten, denn dann hatte ich ein besseres Schußfeld auf den Wolf.
Ich hatte ihre Angst und Panik unterschätzt. Sie gingen nicht langsam vor, sondern schnell. Den Anfang machte die Frau. Sie riß ihren Sohn mit und warf sich auf mich zu.
Der Wolf reagierte.
Bevor ich
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