0173 - Die Werwolf-Sippe
Die Kleine riß Augen und Mund auf. Ich rechnete mit einem Schrei, doch das geschah nicht.
Sie hatte sich ausgezeichnet in der Gewalt.
Das Mädchen war eine Augenweide. Und es wollte schwimmen, wenigstens deutete die Kleidung darauf hin. Ein knappes Bikini-Oberteil bedeckte ihren kleinen festen Busen. Das Höschen saß ebenso knapp und ließ die langen schlanken Beine noch besser zur Geltung kommen. Eine Badekappe trug die Unbekannte nicht, so fiel das rabenschwarze Haar bis auf die Schultern.
»Guten Tag«, sagte ich, weil mir im Moment nichts anderes einfiel.
Die Unbekannte nickte zurück. »Wer sind Sie?« fragte sie dann.
»Ein Gast des Rektors.«
»Ach so.«
»Sie gehören sicherlich zur Schule?« erkundigte ich mich.
»Möglich.«
Die Antwort gefiel mir nicht. »Dann sind Sie keine Schülerin?«
»Vielleicht.«
»Darf ich Ihren Namen erfahren?«
Ihre Augenbrauen hoben sich. »Warum wollen Sie das?«
»Ich weiß immer gern, mit wem ich rede.«
»Das verstehe ich, aber ich möchte nicht mit Ihnen sprechen, Monsieur. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.« Sie drückte sich an mir vorbei und ging zum Beckenrand.
»Wollen Sie sich nicht eine Badekappe aufsetzen?« erkundigte ich mich.
»Weshalb?«
»Es ist so üblich.«
»Darauf kann ich verzichten, Monsieur.«
Dann ritt mich der Teufel. Bevor sie ins Wasser sprang, sagte ich: »Wie geht es eigentlich Lupina?«
Da zuckte sie zusammen. So gut hatte sie sich wirklich nicht in der Gewalt, als daß ihr die Frage nicht unter die Haut gegangen wäre. »Wie kommen Sie auf den Namen?«
»Nur so.«
»Kennen Sie Lupina?«
»Vielleicht.«
In ihren Augen glitzerte es. Ich bekam allerdings keine Antwort mehr. Sie stieß sich ab und verschwand unter Wasser.
Ich schaute ihr nach. Schwimmen konnte sie gut. Atmung und Bewegungen bildeten eine Einheit. Die Hälfte der Strecke schwamm sie unter Wasser, wobei ihr langes Haar wie eine Fahne ausgetragen wurde und einen Schleier bildete.
Sie tauchte auf und schwamm bis zur Treppe. Dort machte sie kehrt und kam zurück.
Ich blieb stehen.
Als sie mit der rechten Hand am Beckenrand dicht unter mir anschlug, streckte sie den Kopf aus dem Wasser, warf sich das nasse Haar aus der Stirn und fragte: »Warum gehen Sie nicht endlich?«
»Weil ich Ihnen noch eine Frage stellen möchte.«
»Wegen Lupina?«
»Auch das.«
»Ich habe sie nicht gesehen, ich kenne sie nicht. Verschwinden Sie jetzt, Monsieur, oder ich lasse Monsieur Foucert rufen, der wird Sie entfernen.«
»Das glaube ich kaum. Schließlich ist ein Mord passiert.«
»Davon habe ich gehört.«
»Kannten Sie Sue Rutland?«
»Hieß so die Tote?«
Die Kleine log mir die Hucke voll, das spürte ich sehr deutlich.
»Ja, das war ihr Name.«
»Es tut mir leid.«
Ich lächelte. »Sue ist nicht die einzige Leiche.«
»So? Wer denn noch?«
»Ich habe hier im Keller jemand entdeckt. Auch einen Toten, meine Liebe.«
»Sie können mir viel erzählen.«
»Ich werde ihn Ihnen zeigen.« Bevor das Mädchen sich versah, hatte ich mich gebückt und ihren Arm gefaßt. Mit einem Ruck zog ich sie aus dem Wasser. Tropfnaß stand sie vor mir, funkelte mich an und wollte mir ihre Hand ins Gesicht schlagen.
Ich fing das Gelenk ab. »Nicht doch, Kleines. Wir beide machen einen Spaziergang.«
»Ich denke nicht daran.«
»Sollen wir ihn zusammen mit der Polizei unternehmen?«
Da wurde sie nachdenklich, hob die Schultern und meinte: »Wenn Sie unbedingt darauf bestehen, bitte.«
Ich sah ihr Gesicht dicht vor dem meinen. Es war blaß. Auf der Haut lagen die Wassertropfen wie Perlen. Ihre Augen erinnerten mich an dunkle Kohlestücke. Die Lippen hatte das Mädchen ein wenig geschürzt, an seiner steifen Haltung erkannte ich die innerliche Abwehr.
Ich ließ ihr Gelenk los. Der Arm sank nach unten. »Darf ich jetzt Ihren Namen erfahren?« erkundigte ich mich.
»Meinetwegen. Nennen Sie mich Jovanka.«
»Ein recht seltsamer Name hier in Frankreich.«
»Mir gefällt er.«
»Woher stammen Sie?«
»Wollen Sie mich verhören? Ich dachte, Sie würden mir etwas zeigen.«
»Natürlich. Kommen Sie.« Das Mädchen ging vor mir her. Jovanka bewegte sich geschmeidig und strahlte dabei einen starken Sex aus. Klar, daß sich ein Typ wie Marcel Vendri so etwas nicht entgehen ließ. Ich dachte über den Namen Jovanka nach. Er besaß einen osteuropäischen Klang. Der Rektor hatte von Zigeunern gesprochen. Zigeuner, die Werwölfe sein sollten.
Hatte ich hier einen weiblichen
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