0173 - Die Werwolf-Sippe
keiner mehr«, erklärte mir der Rektor.
»Früher sind die Leute noch aufs Meer gefahren, aber der Weg ist zu weit.«
Ich nickte.
Wenig später fuhren wir die Straße zur Schule hoch. Auf dem Parkplatz sah ich den seegrünen Alpine, der mich so rasant überholt hatte. »Den Wagen kenne ich«, sagte ich und berichtete.
»Er gehört Marcel Vendri, einem unserer Lehrer.«
Ich fuhr, neben den Alpine und hielt. Wir stiegen aus. Als ich die Tür zuschlug, verließ ein schwarzhaariger Mann das Gebäude. Ich glaubte, auch ihn im Wagen gesehen zu haben und bekam gleich darauf die Bestätigung.
»Das ist Marcel Vendri«, erklärte mir der Rektor.
Der Lehrer sah uns, stutzte einen Augenblick, dann kam er auf uns zu. Sein sonnenbraunes Gesicht war ernst und verschlossen. Er war ein Frauentyp, ich konnte mir vorstellen, daß sich einige Schülerinnen gern in seinem Netz fangen ließen.
»Haben Sie es schon gehört?« fragte der Rektor.
Vendri blieb stehen. »Ja, Monsieur. Helene erzählte es.«
»Schrecklich, wie?«
»Ja, ausgerechnet Sue. Sie hat keinem etwas getan, war immer so nett und aufgeschlossen. Hat man schon eine Spur?«
»Nein.«
»Das muß ein Geisteskranker gewesen sein.« Vendri schüttelte den Kopf. »Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
Foucert gab dazu keinen Kommentar. Statt dessen stellte er mich vor. »John Sinclair, ein Kollege aus England.«
»Angenehm.«
Vendri und ich reichten uns die Hand. Der Lehrer schwitzte. Seine Hand war eine feuchte Fläche. Ich mochte den Burschen nicht, er mich anscheinend auch nicht. In seinem Blick war keine Freundlichkeit zu lesen, eher Mißtrauen.
»Ich möchte Sie bitten, Monsieur Vendri, sich für heute nachmittag zur Verfügung zu halten«, sagte Roland Foucert. »Die Polizei wird einige Fragen stellen.«
»Das ist selbstverständlich. Ich muß nur noch kurz in den Ort und bin rasch wieder da.«
»Bon, bis später.« Der Lehrer verschwand. Roland Foucert lächelte. »Ein sehr netter Mann, wirklich. Er kommt ausgezeichnet mit den Schülerinnen zurecht.«
»Kann ich mir denken.«
»Ich zeige Ihnen jetzt Ihr Zimmer, Monsieur Sinclair. Anschließend muß ich die Schülerinnen zusammentrommeln.«
»Ist schon recht.«
Wir betraten die Schule wieder. Die Räume, wo das Lehrpersonal schlief, lagen zusammen mit den Gästezimmern in einem Seitentrakt des Baus. Wir mußten durch einen düsteren Flur gehen, passierten einige Türen und blieben vor der zweitletzten stehen. Das Holz war dunkel gebeizt, es sah stabil aus.
Einen Schlüssel hatte sich Foucert vom Portier geben lassen.
Persönlich schloß er auf.
Ich übertrat die Schwelle und war überrascht von der Größe des Raums. Ein großes Doppelbett, Schrank, Tisch, Sitzecke und ein Fenster, das zur Rückseite des Baus führte.
Allerdings roch es muffig. Hier war lange nicht mehr gelüftet worden.
»Wie gefällt es Ihnen?« fragte mich der Rektor.
»Gut, wirklich.«
»Das freut mich. Ich lasse dann sogleich Ihr Gepäck aus dem Wagen holen.«
Ich winkte ab. »Das mache ich schon selbst.«
»Wie Sie wünschen, Monsieur. Darf ich mich dann verabschieden?«
Ich nickte. »Wir sehen uns später.«
Roland Foucert schloß die Tür von draußen. Ich öffnete das Fenster und lehnte mich hinaus. Das Gelände stieg an. Hinter dem Haus führte ein mit Gras bewachsener Streifen bis zum Wald, dessen Laubbäume an einem Abhang wuchsen.
Dicht unter mir sah ich auch eine Steintreppe, die in den Keller führte. Da es ziemlich still war, vernahm ich das Knarren einer Tür.
Ich beugte mich noch weiter vor und entdeckte ein schwarzhaariges Girl, das die Hintertür verlassen hatte, stehenblieb und sich umschaute. Es blickte auch an der Fassade hoch.
Rasch zuckte ich zurück. Es war ein reiner Reflex, mehr nicht.
Vorsichtig bewegte ich mich dann wieder auf das Fenster zu und peilte nach draußen.
Schritte.
Das Mädchen lief die Kellertreppe hinab. Mir kam es so vor, als hätte ich es neben Marcel Vendri in dem Alpine gesehen. Wieder knarrte eine Tür, dann fiel sie ins Schloß.
Was suchte die Kleine im Keller?
Von Berufs wegen war ich neugierig. Außerdem hatte ich keine Lust, die nächsten Stunden hier allein im Zimmer zu vertrödeln, deshalb entschloß ich mich, nachzuschauen.
Es mußte außer dem äußeren Weg noch vom Haus her einen geben, der in den Keller führte. Allerdings war es mir zu mühselig, ihn zu suchen. Ich verließ das Gebäude, grüßte den Portier, der zurückwinkte und schritt um den
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