0179 - Der unheimliche Ritter
Zamorras Gedanken und plötzlich emittierte das Amulett eine andere Strahlung.
Kein Feuer umsprühte die schwarze Gestalt mehr, und das Glühen auf der Hülle ließ nach, aber dafür konnte das schwarze Ding keine Bewegung mehr ausführen.
Mit der Kraft seiner Magie hielt das Amulett es fest und wurde damit zum perfektesten Werkzeug, das sich der Professor vorstellen konnte.
Er kam zum Kaminsims.
Das Schwarze war tatsächlich eine Ritterfigur, über dreißig Zentimeter hoch und ziemlich beweglich, wie der Fluchtversuch gezeigt hatte. Zamorras Hand griff zu, schloß sich um die Statuette und drehte sie, bis er sie von vorn sah.
Das Visier war hochgeklappt, und dahinter sah er grelles Leuchten aus winzigen, tückischen Augen.
Zu spät erkannte er, daß es ein Fehler gewesen war, das Etwas von vorn anzusehen.
Aus den tückischen Augen hervor zuckte der Blitz und traf Zamorra! Auch das Amulett war nicht mehr in der Lage, eine Abwehr aufzubauen!
Zamorra brach vor dem Kamin zusammen.
***
Direkt vor Nicole, die sich auf dem riesigen, für einen Titanen wie den Schwarzen Ritter konstruierten Lager verloren fühlte, war der Ausgemergelte in seiner zerlumpten Kleidung stehengeblieben. Seine knochigen Finger waren in ständiger Bewegung wie die Beine einer Spinne. Nicole erschauerte.
Tief und dunkel lagen die Augen des Mannes in den Höhlen und waren im flackernden Zwielicht nur als schwarze Flecken zu erkennen.
»Zu schön… für den Herrn«, flüsterte der Ausgemergelte heiser.
Was hat er vor? dachte Nicole. Ihre Fantasie wollte ihre schauerliche Szenen vorgaukeln.
Da griffen die Spinnenfinger des Dürren zu - und begannen ihre Fesseln zu lösen!
Maßlos überrascht sah Nicole den Unheimlichen an.
»Wer bist du?« stieß sie hervor. »Was hast du mit mir vor?«
Der Finger, Knochen von Haut umspannt, legte sich vor den fast lippenlosen Mund. »Leise sprechen«, heiserte er. »Niemand darf uns hören. Der Herr ist furchtbar in seinem Zorn.«
Unwillkürlich sah er sich dabei nach allen Seiten und auch nach oben und unten um, als befürchte er, der riesige Schwarze Ritter stände bereits hinter ihm.
Nicole federte jetzt mit eleganter Bewegung von dem riesigen Lager herunter. Sie war noch nicht lange genug gefesselt gewesen, daß die Schnüre den Blutfluß hätten hemmen können, aber ihr knöchellanges Kleid kam ihr jetzt doch etwas hinderlich vor. Aber wer hatte ahnen können, daß sich der harmlose Besuch auf dem Château von Henner Pol in diese Richtung entwickelte?
Jetzt, wo sie frei im Raum stand, konnte sie sich besser umsehen als vorher. Und wieder fragte sie sich, woher der Ausgemergelte gekommen war. Denn außer dem massiven Eingang aus Baumstämmen konnte sie keine andere Tür entdecken, nicht einmal einen niedrigen Durchschlupf, den gerade eine Ratte passieren konnte. Ihre an das Dämmerlicht gewöhnten Augen durchforschten den gesamten Raum, der die Ausmaße einer Festhalle besaß.
»Wie bist du hereingekommen?« fragte sie den Dürren und bemühte sich dabei, leise zu sein. »Und warum hast du mich befreit?«
»Zu schön für den Herrn«, wiederholte der Dürre erneut und fuchtelte wild mit den dünnen Armen. »Ich mag dich. Du darfst nicht sein Opfer werden.«
Nicole schluckte. »Hast du dich hier versteckt, als die anderen den Raum verließen?« fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Das hätte der Herr doch bemerkt! Kennst du ihn denn nicht? Ich kam später! Ich zeige dir den Weg nach draußen.«
Damit hatte er ihre Doppelfrage immer noch nicht zufriedenstellend beantwortet.
»Du bist Thorns Diener?«
»Einer von ihnen«, hechelte er heiser. Fast kam es Nicole vor, als seien seine Stimmritzen teilzerstört und die beim Sprechen ausgestoßene Luft benutzte zur Stimmbildung ein paar Umwege. Und dann diese großen Augenflecke… als das Fackellicht den Ausgemergelten plötzlich frontal traf, sah Nicole die tief in den Höhlen liegenden Augen.
Sie waren stumpf!
Glanzlos, wie die eines Toten!
Und seine Hände, die Nicole befreit hatten - die waren eiskalt gewesen!
Der Verdacht, es in dem Ausgemergelten mit einem Zombie zu tun zu haben, mit einem Wiedererweckten, der schon einmal im Grab gelegen hatte, wurde in ihr immer größer. Aber seine kurzen Haare waren der krasse Widerspruch, weil die bei Toten noch eine Zeitlang weiterwuchsen.
»Du bist ein Zombie?« stellte sie ihm die Frage.
Wieder schüttelte er den Kopf. »Kein Zombie, schöne Demoiselle. Ich kann denken, aber dennoch bin
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