0179 - Notlandung auf Beauly II
hatte das seemännische Können der Nomadenfahrer die Strecke nicht verkürzen können. Widrige, von vorn einfallende Winde hatten ein tagelanges Aufkreuzen erforderlich gemacht. Flauten waren nur zur Mittagszeit und kurz vor dem Ausbruch eines Sturmes aufgetreten und - es hatte viele Stürme gegeben. Osaks Schiff, das er nach sich OSAK benannt hatte, glich einem konstruktiv verbesserten Wikinger-Langschiff mit einem hohen Vor und Achterkastell, auf denen die Speerschleudermaschinen aufgestellt waren. Die beiden schweren Rahsegel konnten mit Hilfe von Brassen und Schoten der Windrichtung entsprechend bewegt werden. Die OSAK, ein reiner Klinkerbau mit durchgehend beplanktem Deck, war wesentlich hochbordiger als die anderen Schiffe des Rotstreifenvolkes. Ihre Steven liefen gradlinig abwärts zum Kiel. Die damit verbundene Steifheit bewirkte die guten Segeleigenschaften, die Atlan bewundert hatte. Die umlegbaren Masten wurden in aufgetopptem Zustand von starken Pfählen abgestützt. Das vollentwickelte Bugspriet mit Bulinen und Block sowie die sorgfältig ausgeführten Topspanten wiesen außerdem darauf hin, daß die Nomadenfahrer voll und ganz in ihrer neuen Tätigkeit aufgegangen waren.
Die Fahrt nach Westen war viermal unterbrochen worden, da Osak der Auffassung war, seine Wasserschläuche müßten bei jeder Gelegenheit frisch gefüllt werden. So hatten sich zahlreiche Aufenthalte ergeben, die Atlan von Stunde zu Stunde ungeduldiger gemacht hatten.
Zwei Angriffe eines fremden Volkes waren von Atlan im Zeitraum von wenigen Minuten abgeschlagen worden. Ein Strahlschuß hatte in beiden Fällen ausgereicht. Die Fremden hatten sich fluchtartig zurückgezogen und an anderen Orten die Kunde verbreitet, Osak habe einen Übermächtigen als Freund gewonnen.
Vor zehn Minuten war wieder Land gesichtet worden. Der Ausguck im Toppkastell des Großmastes hatte behauptet, diesmal hätte man die Westküste vor sich.
Atlan war über die Steuerbordwanten aufgeentert. Das Toppkastell ruhte auf einer kräftigen Salingrüste direkt auf der Mastspitze. Diese Konstruktion war ungewöhnlich, aber auf Ogaks Schiff gab es viele Dinge, die einen irdischen Seefahrer verwundern konnten. Der Wind fiel seit einigen Stunden mehr achterlich als dwars ein. Die OSAK lief mit Steuerbord-Halsen über Backbordbug auf die Küste zu. Die Fahrt betrug jetzt ungefähr acht Knoten. Atlan hatte die Nomadenfahrer mit einigen seemännischen Raffinessen vertraut gemacht. Die Hinweise wurden begierig aufgenommen und sofort befolgt. Osak folgte dem Arkoniden.
Gewandt schwang er sich in das Toppkastell. „Land, Herr", behauptete er gelassen. „Ich will die Uferströmung erreichen."
„Wirkt sie sich günstig aus?"
„Sie wird uns nach Süden treiben. Der Wind fällt dann voll von achtern ein. Wir werden noch vor Sonnenuntergang die Burg der Verdammten sichten." Atlan atmete erleichtert auf. Sie befanden sich seit sechs Wochen auf See. Es wurde höchste Zeit, die Besatzung der CREST unter Kontrolle zu bringen. Atlan wußte nun sicher, warum niemand auf die Funkanrufe geantwortet hatte. Nur der Abschuß der MAJORI und die beiden vorangegangenen Notrufe ließen sich nicht einwandfrei erklären. Atlan nahm jedoch an, es könnte einem Besatzungsmitglied gelungen sein, der Emotiostrahlung kurzfristig zu entgehen. Damit kam er der Wahrheit sehr nahe, auch wenn er nichts von Sergeant Erco Fudoli wußte. „Laß das Schiff gleich nach dem Erreichen der Strömung abfallen. Der Wind ist tatsächlich günstig. Ist die Burg der Verdammten von See her gut auszumachen?"
„Ja. Sie hat sogar einen Hafen. Wirst du uns vor den Verdammten beschützen?"
Osak schaute den Gott des Blitzes prüfend an. Wie groß war seine Macht? Ehe Atlan antworten konnte, geschah etwas, was sich während der Reise bereits dreimal ereignet hatte. Ein glänzender Körper raste von Norden her näher und strich in geringer Höhe über die kleine Flotte hinweg. Atlan schaute unbewegt nach oben. Der Körper war ein Kleinraumschiff mit ausfahrbaren Stabilisierungsflossen, die in den dichten Luftschichten eines Planeten als Tragflächen verwendet werden konnten. Das Dröhnen des Triebwerks wurde erst vernehmbar, als das Luftfahrzeug schon hinter den Küstenbergen verschwunden war. Osak hatte sich auf den Boden des Mastkorbes geworfen.
Eine Druckwelle fauchte über die See. Sie füllte die Segel prall auf.
Die OSAK krängte hart nach Backbord, nahm etwas Wasser über und richtete sich dann wieder auf.
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