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0179 - Wir blufften um sein Leben

0179 - Wir blufften um sein Leben

Titel: 0179 - Wir blufften um sein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir blufften um sein Leben
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sich die Schritte des Mannes der Treppe näherten. Eilig huschte er in den Flur im Obergeschoß zurück und sah sich suchend um. Er entdeckte eine Nische im Gang und drückte sich hinein. Eine Minute später eilte Mr. Rosega an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken.
    Ray ging leise hinunter. Er fühlte sich völlig ausgepumpt so leer war es in ihm. Hatte er nicht geglaubt, im Hause von Freunden zu sein? Er hatte die teuersten Zigarren seines Lebens gekauft. Für einen guten Freund. Und auf einmal stellte sich heraus, daß dieser Freund ein Feind war. Weil eine andere Hautfarbe ihm die bornierte Meinung eingab, er sei etwas Besseres.
    Mrs. Rosega stand im Wohnzimmer und zog die Vorhänge zu.
    »Sie müssen heute nacht leider hier auf der Couch schlafen, Ray«, sagte sie, ohne ihm das Gesicht zuzuwenden, »Ich habe Ihnen genug Decken zurechtgelegt. Sie werden bestimmt nicht frieren.«
    »Nein, bestimmt nicht«, sagte Ray.
    Die Frau blieb vor dem letzten Fenster stehen und zögerte. Sie schien nach Worten zu suchen. Jetzt kommt es! dachte Ray. Jetzt wird sie sagen, daß sie dich bitten muß, morgen das Haus zu verlassen. Weil ihr Mann darauf besteht. Und das es ihr peinlich ist.
    »Ich —«, sagte Mrs. Rosega nach einer langen Pause, »ich bin sehr müde. Hoffentlich werden Sie auf der Couch gut schlafen können, Ray. Und — eh — ich wollte nur noch sagen, daß sich nicht nur Ihre Mutter über den Besuch sehr freut. Ich auch. Und Delora, glaube ich, freut sich auch. Gute Nacht, Ray!«
    Sie verließ das Zimmer so schnell, daß er nicht dazu kam, etwas zu erwidern. Ray sah ihr nach. Wenn er sich nicht täuschte, weinte sie. Er kannte ihre lautlose, demütige Art zu weinen noch von früher her.
    Er ließ sich in einen Sessel fallen. Auf der Couch lag ein blütenweißes Laken. Daneben lagen mehrere Decken auf einem Stuihl. Den ganzen Tag über hatte er dieses Zimmer so anheimelnd gefunden. Jetzt erschien es ihm plötzlich kalt und leer. Wie die Räume einer Möbelausstellung.
    Jeane Stanford war nicht glücklich mit diesem Mann. Man brauchte kein geschulter Ehepsychologe zu sein, um das zu sehen. Sie war in einem vorurteilsfreien, weltaufgeschlossenen Hause aufgewachsen. Und jetzt mußte sie in einer Atmosphäre leben, die vergiftet war von dummen und beschränkten Ansichten. Natürlich würde es ihr am nächsten Morgen sehr, sehr peinlich sein, wenn sie ihn bitten mußte, wieder abzureisen. Auch ihm würde es peinlich sein, sich das anzuhören.
    Er steckte sich eine Zigarette an und sinnierte. Gab es keine Möglichkeit, diese peinliche Situation gar nicht erst aufkommen zu lassen? Natürlich gab es eine solche Möglichkeit. Er brauchte nur zu gehen. Sofort. Noch in der Nacht. Wenn er später Mrs. Rosega einen Brief schrieb, daß er zufällig das Gespräch mit Mr. Rosega gehört hatte, würde sie alles verstehen. Ja, das war die beste Lösung. Sie ersparte Jeane die beschämende Tatsache, daß sie einen von ihr eingeladenen Gast aus dem Haus weisen müßte.
    Aber es war wohl richtiger, wenn er noch ein oder zwei Stunden verstreichen Meß, bevor er sich auf den Weg machte. Erst mußten alle schlafen. Es wäre alles noch peinlicher geworden, wenn sie ihn dabei ertappten, daß er heimlich das Haus verlassen wollte.
    Er rauchte seine Zigarette zu Ende, drückte sie aus und schaltete das Licht im Wohnzimmer aus. Er konnte auch im Dunkeln warten. 'Schon nach kurzer Zeit drang durch die Vorhänge das weiche, gedämpfte Licht des Mondes.
    Plötzlich plumpste etwas draußen im Garten. Ray sprang auf. Er lief zum Fenster und zog den Vorhang einen Spalt auseinander. War dort hinten bei der großen Hecke nicht eine Bewegung? Er str engte seine Augen an, aber so sehr er sich auch Mühe gab, er konnte in dem ungewissen Zwielicht des nächtlichen Himmels nichts erkennen. Die Bewegungen der Hecken und der Äste, die lautlos huschenden Schatten kleiner Wolken — das alles bewegte das Bild im Garten derart, daß es unmöglich war, eine besondere Bewegung darin herauszugreifen und genau zu erkennen.
    Er ließ den Vorhang fallen, so daß sich der Spalt wieder schloß. Wahrscheinlich hatten ihn seine Sinne getäuscht. Er befand sich in einer ganz eigenartigen Erregung, so daß eine Sinnestäuschung nahe lag. Die Prügelei am Vormittag, die merkwürdige Begegnung mit Pater Angelo, der Zwischenfall während des Tanzes und zu guter Letzt noch die unfreiwillig belauschte Unterredung seiner Gastgeber hatten ihn in eine derartige Verwirrung versetzt,

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