018 - Der Schatz der toten Seelen
Silver.
»Ich weiß nicht«, meinte Hollis Waxman. »Ich glaube, dazu muß man geboren sein.«
»Glaube ich auch«, sagte ich. »Ich würde hier an Langeweile zugrunde gehen.«
»Demnach hältst du also nichts vom oft zitierten Aussteigen«, sagte der Ex-Dämon.
»Ich gebe zu, hin und wieder – wenn’s ganz hektisch zugeht, so daß mir der Kopf raucht und ich nicht mehr weiß, ob ich ein Männchen oder ein Weibchen bin – habe ich mit dem Aussteigen schon geliebäugelt, aber ich habe es noch nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Im Grunde genommen brauche ich ein bißchen Trubel und eine gewisse Herausforderung.«
»Du gehörst also zu denen, die sich immer wieder aufs Neue bestätigen müssen.«
»Kann sein. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Im übrigen sorgt schon die schwarze Macht dafür, daß ich keinen Rost ansetze.«
Eine halbe Stunde später rief Hollis Waxman: »Cullkirk!«
Wir blickten alle auf den idyllischen Fischerort hinunter.
Verträumt lag er in der kleinen Bucht und lud zum erholsamen Verweilen ein.
Wir fuhren in das festlich geschmückte Dorf. Waxman stoppte das Fahrzeug kurz. Mr. Silver kurbelte das Fenster nach unten und winkte einen schmalbrüstigen Jungen zu sich.
»Kannst du uns sagen, wo wir das Haus von Dr. Nelson finden?«
Der Junge nickte eifrig und beschrieb uns den Weg. Waxman fuhr weiter. Er hatte keine Mühe, Marvin Nelsons Haus zu finden.
Es war ein schönes altes Gebäude mit einer großen Veranda. Von da aus hatte man einen herrlichen Blick aufs Meer.
Als der Wagen anhielt, öffnete sich die Haustür. Ein 31jähriger Mann, blond, hager, sehr elegant, trat heraus: Frank Esslin, unser Freund aus Amerika.
»Frank!« Ich sprang aus dem Fahrzeug und eilte auf ihn zu.
»Tony!« Er lachte, kam mir entgegen, wir fielen uns in die Arme und schlugen uns gegenseitig auf den Rücken.
»Nett, dich wiederzusehen, Tony«, sagte der WHO-Arzt.
»Wie geht es dir? Was macht dein Job? Bist du immer noch ein so gefragter Mann?«
»Mehr denn je. Eigentlich sollte ich mich zur Zeit auf Madagaskar nützlich machen, aber ich konnte meinem Freund und Kollegen zu seinem sechzigsten Geburtstag doch keinen Korb geben.«
»Nein, das geht wirklich nicht.«
»Ich habe meinen Stellvertreter nach Madagaskar geschickt und werde in ein paar Tagen zu unserem Team stoßen. In der Zwischenzeit hauen wir hier ein bißchen auf den Putz, was, Tony?«
»Mit Vergnügen«, antwortete ich.
Hollis Waxman stieg aus und öffnete den Kofferraum seines Wagens, in dem das Höllenschwert lag. Mr. Silver verließ das Fahrzeug ebenfalls. Waxman öffnete den Kofferraumdeckel und streckte die Hand nach dem Schwertgriff aus.
Mr. Silvers perlmuttfarbene Augen weiteten sich erschrocken.
»Nicht anfassen!« rief er.
Waxmans Hand zuckte zurück, als habe sie einen elektrischen Schlag erhalten. »Oh, verflixt«, sagte er kleinlaut. »Ich hätte beinahe vergessen, wie gefährlich das Ding ist.«
»Es hätte Sie getötet, wenn Sie es in die Hand genommen hätten«, sagte der Ex-Dämon ernst.
Waxman stieß die Luft hörbar aus. »Da hatte ich ja wohl großes Glück.«
»Das können Sie laut sagen«, brummte der Hüne mit den Silberhaaren und nahm das Höllenschwert an sich. Ihn akzeptierte es.
Frank Esslin wollte hören, was wir im Zentrum der Grampian Mountains erlebt hatten. Da es nicht mit einigen Worten zu berichten war, vertröstete ich ihn auf später.
Mr. Silver kam zu uns. Er begrüßte Frank mit einem festen Händedruck. »Hallo, Amerikaner. Was machen die Girls in New York?«
»Denen geht es gut, solange du nicht in der Stadt bist«, erwiderte der WHO-Arzt schmunzelnd.
Ich ging darauf sofort ein. »Ach, hat es sich schon bis zu euch durchgesprochen, daß Silver hinter jedem Weiberrock her ist?«
Wir lachten herzlich.
Mr. Silver machte nur gelangweilt: »Ha, ha, ha. Amüsiert euch nur mal wieder ungeniert auf meine Kosten. Ihr wißt ja, wie gern ich das habe.«
Ich begab mich zu Hollis Waxman. Kate Gregory saß noch im Wagen. »Kommen Sie doch mit rein«, sagte ich.
Waxman schüttelte den Kopf. »Wir wollen nicht stören.«
»Das tun Sie bestimmt nicht.«
»Kate und ich würden lieber gleich nach Dundee weiterfahren.«
»Nun, wenn Sie sich nicht überreden lassen…«
Waxman streckte mir die Hände entgegen. Ich schlug ein. »Es war für mich ein Erlebnis, Sie kennenzulernen, Mr. Ballard. Ohne Sie und Mr. Silver würden wir heute nicht mehr leben. Das werden wir Ihnen nie vergessen.«
Ich
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