018 - Der Schatz der toten Seelen
läßt.«
»Sie meinen, in meinem Alter kann man das alles noch nicht bringen.«
»Nur Wunderknaben sind mit achtzehn oder neunzehn Jahren schon so ausgereift. Halten Sie sich für einen Wunderknaben?«
Charlie le Mat schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Ballard.«
Mir gefiel seine Ehrlichkeit. Vielleicht wurde aus ihm eines Tages ein »Kollege«. Ich hätte es begrüßt. Er stellte Mr. Silver und mir noch viele Fragen, die wir ihm alle beantworteten. Wir hatten keine Geheimnisse vor ihm.
Nachdem er seinen Wissensdurst gestillt hatte – wir hatten mittlerweile auf der ledernen Sitzgruppe Platz genommen –, erzählte er uns von einem Schatz der toten Seelen, nach dem er heute mit seinen Freunden Jimmy MacKenzie, dem Sohn des Bürgermeisters, und Roy Cassidy tauchen wollte.
Wir erfuhren zum erstenmal von dieser Legende und hörten zum erstenmal den Namen des Piratenkapitäns Nimu Brass, ohne zu ahnen, daß dieser uns noch einiges aufzulösen geben würde.
Vor dem Haus blieb ein Wagen stehen. Es wurde gehupt.
Charlie le Mat stand auf. »Das sind Jimmy und Roy.«
»Viel Glück bei der Schatzsuche«, sagte ich.
Charlie nickte, verabschiedete sich und ging. Ich wandte mich an Marvin Nelson und fragte ihn, ob es seiner Meinung nach tatsächlich einen solchen Schatz gab.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber Tauchen ist ein schöner Sport«, antwortete er. »Und ich sehe nicht ein, warum ich den jungen Leuten ihre Freude verderben soll.«
Zwischen meinen Schulterblättern setzte sich ein unangenehmes Gefühl fest. Es war mir lästig. Denn mir ging der Gedanke nicht aus dem Kopf, daß die drei jungen Taucher diesen Schatz der toten Seelen vielleicht doch finden würden.
Was dann?
Würde ihn sich Nimu Brass wegnehmen lassen?
Wenn nicht, hatten wir einen neuen Fall am Hals…
***
Ein Vampir!
Cruv wich zwei Schritte zurück und hielt den Atem an. Der süßliche Geruch drang aus dem Maul des bleichen Blutsaugers.
Der Gnom starrte das gefährliche Wesen ängstlich an. Wenn der Vampir erwachte…
Cruv versuchte sich zu beruhigen.
Kann er ja nicht! dachte er, um die Erregung niederzukämpfen.
Es ist Tag, und bei Tag schlafen sie. Sie erwachen erst bei Einbruch der Dunkelheit, um auf Jagd zu gehen. Tageslicht vertragen sie nicht…
Aber hier drinnen gab es kein Tageslicht. In dieser Höhle war es so finster wie in der Nacht. Konnte sich der Vampir hier drinnen bewegen, ohne daß er Schaden nahm?
Der Gnom wich noch weiter zurück. Er stahl sich lautlos davon und hoffte, daß der Vampir von seinem Besuch nichts mitbekommen hatte. Erleichtert trat er aus der Höhle.
Sollte er hier irgendwo doch noch Unterschlupf finden, dann würde er gewissermaßen Wand an Wand mit einem Vampir wohnen. Wenn der Blutsauger das herausfand, konnte das äußerst gefährlich werden.
Cruv seufzte. Gab es denn nirgendwo auf dieser Welt einen Platz, an dem er sich sicher fühlen durfte? Er mußte endlich mal zur Ruhe kommen.
Vorsichtig stieg der Gnom über Felsennasen weiter. Er kletterte von einer Höhle zur anderen. Keine entsprach seinen Vorstellungen. Bei einigen hatte er sogar Angst, sie zu betreten.
Endlich – etwa eineinhalb Meter über dem Boden – glaubte er gefunden zu haben, wonach er suchte. Vielleicht war auch die bleierne Müdigkeit daran schuld, daß er sich für diese Höhle entschied. Sie war nicht zu groß und nicht zu klein. Da sie sanft schräg nach unten abfiel, war sie heller als die anderen Öffnungen im Felsen. Dort drinnen wollte er bis auf weiteres wohnen.
Er war neugierig, was die Zukunft bringen würde. Und er sehnte sich danach, sich irgendwo hinzulegen und zu schlafen. Schlaf, das bedeutete vergessen, und es gab so vieles, was er vergessen wollte.
Gedankenverloren betrat er »seine« Höhle. Ihm fiel nicht sofort auf, daß die Wände und der Boden mit rötlichem Schleim überzogen waren. Erst als er darauf ausglitt, bemerkte er es.
Und dann erlebte er den nackten Horror!
Der Felsenstollen verwandelte sich in einen mörderischen Höllenschlund. Cruv hatte den Eindruck, in ein großes Saugrohr geraten zu sein. Ein gewaltiger Sog entstand. Die Höhlenwände, eben noch hart, wurden weich. Cruv schoß es durch den Kopf: Du bist in die Speiseröhre eines Dämons geraten! Er hat sich gut getarnt. Und nun wird er dich mit Haut und Haaren verschlingen.
Der Sog nahm ihm den Atem.
Er begann wieder verzweifelt zu kämpfen. Glutrotes Licht erfüllte den Todestrichter. Cruv rutschte unaufhaltsam über den
Weitere Kostenlose Bücher