018 - Der Schatz der toten Seelen
nach. Die See kam zur Ruhe. Die Schwärze vor den Taucherbrillen verschwand.
Charlie konnte seine Umgebung wieder wahrnehmen.
Er sah Roy Cassidy, der sich in seiner Nähe befand. Aber er konnte Jimmy MacKenzie nirgendwo entdecken. War Jimmy etwas zugestoßen?
Nein. Jimmy war aus dem unheimlichen schwarzen Strudel herausgeschleudert worden, und der Junge erkannte die Zeichen.
Gefahr! Eine tödliche Gefahr lauerte dort unten auf sie. Die Angst sprang Jimmy MacKenzie, den Sohn des Bürgermeisters, an wie ein reißendes Tier. Er verlor fast den Verstand. In seinem Kopf hatte nur noch ein Gedanke Platz: Flucht!
Irgend etwas stimmte hier nicht. Dämonische Kräfte mußten das Meer aufgepeitscht haben. Jimmy verlor seinen Mut. Er wagte nicht mehr mit den Freunden in die Tiefe zu tauchen. Wenn sie klug waren, kehrten sie mit ihm zur Yacht zurück.
Dem Jungen kam es vor, als habe eine Höllenfaust ins Meer geschlagen. Er wußte nicht, woher diese unbeschreibliche Kraft kam. Er glaubte aber zu wissen, daß hier der Teufel seine Hand im Spiel hatte.
Nicht Nimu Brass war für diesen schwarzen Strudel verantwortlich, das stand für Jimmy MacKenzie fest. Das mußte ein Mächtigerer als er getan haben, und da sich Jimmy in der schwarzen Hierarchie nicht auskannte, kam dafür seiner Ansicht nach nur einer in Frage: der Höllenfürst!
Während er wie von Sinnen mit kräftigen Flossenschlägen der Wasseroberfläche zustrebte, kehrten Charlie le Mat und Roy Cassidy nicht um.
Roy hatte nämlich eine kolossale aufregende Entdeckung gemacht. Er wies fasziniert auf Wrackteile des Piratenschiffs, die der schwarze Strudel freigelegt hatte.
Der erste Beweis dafür, daß Kapitän Nimu Brass keine Erfindung von Märchenerzählern war. Er hatte wirklich existiert. Roy machte sich keine Gedanken darüber, wer den Wasserstrudel hervorgerufen hatte. Das Wrack des alten Piratenschiffs faszinierte ihn viel zu sehr. Außerdem schürte Atax’ Magie ihre Unvorsichtigkeit.
Er wies auf die Schiffsplanken, die zum Teil noch im sandigen Meeresboden steckten. Charlie le Mat nickte. Auch er hatte das Wrack entdeckt, und er war ebenso begeistert wie Roy.
Wer immer für den gewaltigen Strudel verantwortlich war, die beiden Taucher waren ihm dafür dankbar, denn nun blieb ihnen langes Graben und eine Suche am falschen Ort erspart. Das Wrack lag vor ihnen wie auf einem Präsentierteller.
Sie schwammen aufgeregt darauf zu. Charlie fragte seinen Freund umständlich mit Handzeichen nach Jimmy MacKenzie.
Roy wies mit dem Daumen nach oben. Er hatte Jimmy umkehren sehen. Charlie war darüber sichtlich erleichtert. Er hatte schon befürchtet, Jimmy wäre irgend etwas zugestoßen.
Wenn der Junge es aber nur mit der Angst zu tun gekriegt hatte, war das nicht weiter schlimm. Sie würden ihn deshalb später nicht einmal hänseln, sondern Verständnis dafür zeigen. Einen kurzen Augenblick lang hatten sie ja selbst beide daran gedacht, zur Yacht zurückzukehren, nachdem sich das Meer beruhigt hatte.
Wie das Gerippe eines vorsintflutlichen Ungeheuers lag das Wrack des Piratenschiffs vor ihnen. Charlie le Mat fragte sich leicht schaudernd, ob sie die Skelette der Mannschaft darin finden würden. Und noch etwas fragte er sich: Bist du wirklich hart genug für einen Dämonenjäger? Vielleicht mußt du’s in Kürze beweisen…
***
»Dort vorn, die Yacht, Tony!« sagte Mr. Silver.
Ich nickte. Da weit und breit kein anderes Schiff zu sehen war, konnten wir annehmen, daß auf dieser Yacht Charlie le Mat uns seine Freunde hierher gekommen waren. Fast genau über dem Schiff hing eine graue Wolke, der mein Freund und ich jedoch keine Bedeutung beimaßen. Wenn wir geahnt hätten, daß das Atax, die Seele des Teufels, war…
Doch wie hätten wir auf diese Idee kommen sollen?
Ich hielt auf die Yacht zu, drehte bei, und Mr. Silver warf eine Leine nach drüben. Nachdem er sie festgezurrt hatte, rief er:
»Ahoi! Ist jemand an Bord?«
Keine Antwort.
»Die befinden sich garantiert schon im Wasser«, bemerkte ich.
Der Ex-Dämon schüttelte den Kopf. »Was junge Leute für einen Eifer entwickeln können.«
Ich grinste. »So etwas ist einem Faulpelz wie dir unbegreiflich, nicht wahr?«
»Blödmann!« brummte der Hüne und sprang nach drüben. Sein Schwert nahm er mit. Er warf einen Blick unter Deck. »Niemand da!« rief er herüber.
Ich gesellte mich zu ihm. Da sahen wir, wie der Kopf eines Tauchers plötzlich die Wasseroberfläche durchstieß. Der Junge schwamm
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