0180 - Sonderauftrag Maracaibo
gestanden, das ist der einzige Haken, den die Geschichte hat. Rosega rechnet anscheinend nicht damit. Aber als raffinierter und vorsichtiger Mann, dem es immerhin um den eigenen Hals geht, müsste er diese Möglichkeit doch wenigstens in Betracht ziehen! Aber kein Wort im Brief verrät, dass er einen Verrat seiner Frau auch nur für möglich hält!«
»Vielleicht glaubt er, dass er ihr absolut vertrauen kann?«, meinte Bluewise.
»Möglich«, brummte Pitts. »Trotzdem passt es nicht zu Rosega. Der Kerl war so unglaublich raffiniert all die Jahre hindurch, dass es einfach nicht in sein Bild passt, wenn er jetzt auf einmal blindlings vertrauen sollte. Irgendetwas stimmt an dieser Sache nicht. Wir werden das noch herausfinden müssen. Der Pferdefuß steckt bestimmt irgendwo.«
»Verschieben wir diese Frage erst einmal auf später«, meinte Clareson. »Mich interessieren noch ein paar andere Dinge. Zum Beispiel: Wo kam der Brief eigentlich her?«
»Aus Havanna. Luftpost, gestern Abend abgestempelt.«
»So… Aus Havanna. Das passt ja ins Bild. Dass die Schmuggeltransporte von Kuba ausgehen, hatten wir ja schon immer vermutet.«
»Ja. Ich glaube auch, dass das stimmt.«
»Hat er nicht geschrieben, was für ein Bote den Koffer bringen wird? Ein Expressbote? Ein Bankbote?«
»Keine Ahnung. Er schreibt nur von einem Boten, ohne nähere Andeutungen zu machen.«
»Über den Inhalt des Koffers sagt er auch nichts?«
»No. Kein Wort.«
»Aber er erwähnt, dass er mit einem Freund kommen wird?«
»Ja, mit diesem Fanster. Er schreibt es nur so am Rande, ohne Betonung darauf.«
»Komisch, dass er es überhaupt erwähnt.«
»Er muss es doch erwähnen! Seine Frau würde einen einzelnen Mann erwarten. Wenn sie in der Dunkelheit zwei auf sich zukommen sähe, könnte es doch sein, dass sie es mit der Angst bekäme und wegliefe.«
»Ah ja! Das ist wahr. Dennoch mir gefällt die Sache nicht. Warum riskiert Rosega überhaupt sein Leben? Wegen eines blöden Koffers doch nicht! Was ist in dem Koffer? Warum ist er so wichtig, dass Rosega dafür sogar sein kostbares Leben riskieren will?«
Pitts zuckte die Achseln.
»Das weiß ich noch nicht. Aber das werden wir heute Nachmittag erfahren. Selbstverständlich werden wir den Koffer öffnen, sobald er bei Mrs. Rosega abgegeben wurde.«
»Wollen Sie etwa heute Nachmittag noch einmal die Frau aufsuchen, Pitts?«, erkundigte sich Bluewise.
»Ja, natürlich. Das muss ich doch, wenn ich den Koffer öffnen will!«
»Das würde ich trotzdem nicht tun. Wenn Rosega vorsichtig ist - und alles spricht dafür, dass er es sein wird -, dann lässt er heute sein Haus beobachten. Sobald der Koffer abgegeben wurde, werden die Beobachter natürlich besonders aufmerksam sein. Denn jeder fremde Mann, der nach dem Eintreffen des Koffers bei Mrs. Rosega aufkreuzt, könnte ein Polizist sein. Rosega kann sich selbst sagen, dass - falls seine Frau ihn überhaupt verrät - die Polizei wissen wollen wird, was in dem Koffer ist. Also braucht nur ein fremder Mann nach dem Koffer dort zu erscheinen, und Rosega ist gewarnt.«
Pitts schob anerkennend die Unterlippe vor.
»Teufel, ja!«, rief er. »Das ist verdammt einleuchtend. Also müssen wir die Frau ersuchen, den Koffer zu öffnen. Vielleicht schafft sie’s. Wir werden ja sehen.«
Er blickte auf seine Uhr.
»Es ist soweit«, fuhr er fort. »Sandheim wird jetzt wissen, ob etwas über diesen Fanster bekannt ist oder nicht.«
Er telefonierte zum zweiten Mal mit dem Hauptquartier der Stadtpolizei von Sun City und ließ sich mit Detective-Lieutenant Sandheim verbinden, eine der wenigen Personen, die wussten, dass sich hinter der Presseagentur eine Sonderkommission der Bundeskriminalpolizei verbarg. Sandheim kam sofort an den Apparat. Pitts zog einen Block heran und stenografierte mit. Als er den Hörer aufgelegt hatte, las er den Kollegen sein Stenogramm vor.
»Fanster, George William, geboren am 11. März 1919 in Fort Lauderdale, Florida, Rasse weiß, US-Staatsbürger, Größe einsneunundsiebzig. Gewicht siebenundachtzig Kilo…«
Pitts machte eine Pause, weil er sich eine Zigarette ansteckte. Als er den ersten Rauch ausstieß, fuhr er fort: »Jetzt kommt’s! Criminal Record, hört zu!… Meine Güte, da hätte ich bis morgen früh vorzulesen. Er war dreizehn, als seine Karriere anfing. Damals stand er zum ersten Mal vor dem Kadi. Zwei Jahre Besserungsanstalt wegen räuberischer Erpressung!«
»Was?«, rief Clareson und verdrehte die Augen.
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