0180 - Sonderauftrag Maracaibo
aufzutreiben ist oder weil sie in der Familie bestimmte Krankheiten hatten, die eine Einwanderung unmöglich macht - und so weiter und so fort.«
»Aber wir bringen alle rüber«, sagte Phil. »Oder?«
»Wer zahlt, wird rübergebracht. Und wenn er Lepra hätte. Wir sind keine Gesundheitsbehörde. Wir machen ein Geschäft.«
Wir hatten die oberste Etage eines der Häuser erreicht. Fanster marschierte auf eine Tür zu, vor der ein Mann stand, dem die Griffe zweier Colts aus dem Gürtel lugten.
»Sieh dir die beiden hier an, Bill«, sagte Fanster. »Sie arbeiten ab heute für mich. Ihre Anweisungen kriegen sie direkt von mir. Klar?«
»Klar, Boss!«
»Lass uns rein!«
Der Pockennarbige zog einen Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete eine Tür. Wir traten über die Schwelle - und uns blieb die Luft weg.
Wir standen in einem Raum, der als perfekte Funkstation ausgerüstet war.
Drei junge Burschen hockten Karten spielend um einen Tisch, während ein vierter die Kopfhörer übergestülpt hatte und an einem Knopf eines Empfangsgerätes drehte.
»Das ist unsere Funkleitstelle«, verkündete Fanster mit sichtlichem Stolz. »Von hier aus erreichen wir alle unsere Boote, ob sie im Hafen liegen oder unterwegs sind. Wir haben von hier aus Kontakt mit unseren Verbindungsleuten in Florida, die jeweils die Lage sondieren. Und wir kriegen sogar unsere Agentur in Hongkong. Toll, was?«
Er stand im Raum, breitbeinig, stolz, gewichtig. Jeder Zoll ein großer Mann. Und auch jeder Zoll ein skrupelloser Gangster. Ich musterte ihn verstohlen. Dieser Mann hatte vielleicht das Zeug zu einem Luciano oder Al Capone, auf jeden Fall aber hatte er die ganze Gewissenlosigkeit dieser berühmten Gangster. Es lag mir auf der Zunge, ihn zu fragen, wie viele Leichen eigentlich die Basis seiner Organisation bildeten, aber natürlich musste ich diese Frage unterdrücken.
Wir machten ein paar Bemerkungen, die ihm verrieten, wie sehr wir beeindruckt waren. In gewisser Weise waren wir’s auch. Unser Trick, dass wir uns als steckbrieflich gesuchte Verbrecher bei ihm hatten einführen können, wirkte Wunder. Hätte Fanster nicht selbst gesehen, dass die Polizei Venezuelas hinter uns her war, er hätte uns sicher nicht gleich mit einem solchen Vertrauen bedacht.
Zusammen gingen wir wieder hinunter. In der zweiten Etage des Hauses, in dem die Funkstation lag, öffnete uns Fanster eine Tür und händigte uns den Schlüssel aus: »Hier könnt ihr kampieren. Schließt aber ab, wenn ihr das Zimmer verlasst! Ein paar von unseren Burschen können das Mausen nicht lassen.«
»Okay, Fanster. Wie sieht’s mit unserer Arbeit aus?«
Er sah auf seine Uhr.
»Bis vier könnt ihr machen, was ihr wollt. Ab vier haltet euch hier im Zimmer auf, dann werde ich euch brauchen! Zu essen gibt’s im Keller, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wir haben vier Köche, die schichtweise arbeiten.«
Phil grinste anerkennend: »Ich muss schon sagen - die Organisation gefällt mir!«
Fanster lachte zufrieden und ging. Wir sahen uns in unserem Domizil um. Es gab vier Betten, vier schmale Schränke,- einen Tisch mit vier Stühlen und einen abgetretenen Teppich aus Kokosfasern. In der Ecke ragte ein Wasserhahn aus der Wand. Darunter stand ein Eimer. Ein Becken und einen Abfluss gab es nicht.
Wir schlossen die Tür und machten uns wie auf Kommando an eine gründliche Durchsuchung des Raumes. Dabei sagten wir kein einziges Wort. Erst als wir genau wussten, dass kein Abhörmikrofon versteckt war, ließen wir uns auf die Betten fallen.
»Was meinst du?«, fragte Phil leise. »Ob wir jetzt am richtigen Ort sind?«
»Bestimmt«, erwiderte ich leise. »Das hier ist das Hauptquartier der Schmuggler, darüber gibt es für mich keine Zweifel mehr. Aber mir gefällt Fanster nicht.«
»Natürlich nicht, dafür ist er ein Gangster.«
»Das meine ich nicht. Mir gefällt die plötzliche Großzügigkeit nicht, mit der er uns alles zeigte. Nicht eine leiseste Spur von Misstrauen - dabei war er so vorsichtig, uns niederschlagen zu lassen, als wir uns den Weg in die Kneipe erzwungen hatten. Und jetzt auf einmal diese schlagartige Wandlung zur Freundlichkeit? Da stimmt doch etwas nicht!«
Phil zuckte die Achseln: »Meiner Meinung nach ist er froh, dass er hier inmitten der braunen Burschen noch ein paar Yankees mehr hat. Mit den anderen ist es ohnehin nicht weit her, wir sind wahrscheinlich die Intelligentesten in seiner Horde, was liegt da näher, als dass er sich zu uns offener zeigt als
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