0181 - Totenchor der Ghouls
den Schwung der Hüften nach und nickte zufrieden.
Ja, sie konnte sich sehen lassen. Die jungen Kerle würden sie wieder wählen. Die weitgeschnittene Bluse flatterte über ihren Kopf, in die Overallhose rutschte sie auch hinein, und sie schüttelte das braunrote Haar aus, bevor sie grüne Spangen hineinsteckte. Auf ein Stirnband verzichtete sie. Die Haare sollten sich beim wilden Tanz ruhig lösen und ihr ins Gesicht fallen. Irgendwie machte sie das an, und nicht nur sie, auch die Männer.
Maureen trat an Fenster. Nicht weit entfernt schimmerten die Lichter des Güterbahnhofs Putney. Es gab eine Zeit, da hatte sie sich mal geärgert, wenn sie aus dem Fenster schaute und eine triste Industrieanlage sah, aber ihr Vater hatte ihr erklärt, daß gerade diese Anlage die Familie ernährte, und da hatte sie nie mehr etwas Negatives darüber gesagt. Es war noch nicht dunkel, aber die Dämmerung ließ auch nicht auf sich warten. Sie schob sich heran und war nicht aufzuhalten. Dabei kroch sie auf die Gleisanlagen zu, auf denen abgestellte Wagen standen. Hohe Masten ragen in den Himmel. Bei Dunkelheit leuchteten vor ihnen Scheinwerfer.
Hochspannungsleitungen zogen sich von Mast zu Mast. Signale standen wie stumme Wächter da, und die abgestellten Züge erinnerten Maureen Dale an ruhende Schlangen!
Sie mußte auch ehrlich zugeben, daß sie sich an das Bild gewöhnt hatte. Ja, sie sah sogar einen ureigenen Reiz darin, und das eben stimmte sie froh.
Zur Disco war es eigentlich etwas zu weit, um hinzulaufen. Da hatte Maureen jedoch keine Probleme. Männliche Fahrer gab es genug. Sie konnte sich sogar die Autos aussuchen, mit denen sie fahren wollte, und sie suchte sich an jedem Wochenende einen anderen aus.
Heute war Teddy Tears an der Reihe. Er fuhr einen deutschen Wagen, einen schwarzen Golf, der ziemlich schnell war, dafür aber auch mehr Benzin verbrauchte.
Teddy war zwei Jahre älter und als Aufreißer bekannt. Bisher hatte er bei Maureen noch nicht landen können. Außer einem flüchtigen Kuß war nichts gewesen, und wie Maureen den Knaben kannte, würde er es heute abend sicherlich wieder versuchen.
Sollte er…
Fertig angezogen war sie. Jetzt kamen noch ein paar Duftwässerchen hinzu, etwas bunter Flitter ins Haar, und die Disco-Queen war fertig, so hoffte Maureen.
Als sie die Tür des kleinen Zimmers öffnete, rief ihr Vater von unten.
»Ja, Dad, ich komme schon.« Maureen schloß die Tür ab. Hier oben schliefen sie und ihre Eltern. Es war eng in dem Haus, doch die Verwaltung der Bahn stellte eben kein größeres zur Verfügung.
Bereits in der ersten Etage liefen die Wände schräg, genauso, wie das Ende des Flurs hinter ihr.
Eine steile Treppe führte hinunter. Die Stufen knarrten, wenn man sie betrat. Schon als kleines Kind hatte Maureen es gelernt, die Treppe im richtigen Winkel zu laufen. Darin war sie sehr geschickt, und sie hatte es wirklich geschafft, die Stufen ohne einen Fall hinter sich zu bringen.
Ihr Vater saß in der Küche. Auf dem Tisch standen zwei Gedecke.
Als Maureen den Raum betrat, drehte sich Jerry Dale um. Jetzt war zu sehen, von wem Maureen das rote Haar besaß. Von ihrem Vater.
Sein Haar besaß dieselbe Farbe, nur stand es buschiger und strohiger vom Kopf ab. Auch mit einem Kamm war es kaum zu bändigen. Jerry Dale hatte breite Schultern. Seine Augen blickten klar, und man hatte das Gefühl, dieser Mann konnte einem Menschen auf den Grund der Seele schauen. Er war ein aufrechter Kerl, Zugführer von Beruf, und seine Kollegen hatten ihn als Vertrauensmann gewählt. An diesem Wochenende hatte er frei.
Sein ganzer Stolz galt Maureen. Er selbst hätte gern mehr Kinder gehabt, aber leider war es seiner Frau nicht vergönnt gewesen, noch andere zu bekommen.
Er schaute seine Tochter an und lächelte. Maureen war dicht hinter der schmalen Türschwelle stehengeblieben und drehte sich einmal im Kreis.
»Gefalle ich dir, Dad?«
Der Mann nickte, »Ja, du gefällst mir, wirklich. Du wirst wieder alle jungen Männer verrückt machen, das glaube ich bestimmt.«
Maureen lachte, und ihre Augen blitzten. Es war schön, so herrlich jung zu sein.
»Wie deine Mutter«, sagte Jerry Dale. »Genauso. Wenn sie dich hier so sehen würde…«
»Hätte sie Angst um mich«, erklärte Maureen.
»Mütter sind eben so«, stellte ihr Vater fest. »Es war vor 21 Jahren nicht anders, mein Kind.«
»Ich weiß, du hast oft genug davon erzählt.«
»Jetzt iß aber was.«
»Was hast du denn
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