0184 - Der Kraken-Götze
mit einer Schimpfkanonade. »Himmelgewitterdieaxt!« brach es aus ihm heraus. »Das soll doch der Teufel holen!«
»Was, bitte schön, soll ich holen?« Die Stimme klang süß und einschmeichelnd. Aus der Froschperspektive blickte Jörg Bernhard zu einer Frau empor, deren Schönheit ihm den Atem nahm. In seinem ganzen achtzehnjährigen Leben hatte Jörg keine Frau mit solchen Traummaßen gesehen. Er wollte etwas sagen, aber es kam nur em gurgelndes Stammeln hervor. Jörg Bernhard hatte nur Augen für die optischen Reize des Weibes, mit welch seltsamen Worten sie ihn angesprochen hatte, war von ihm gar nicht geistig geschluckt worden.
Aber Zamorra, der sich zehn Meter hinter Jörg durch das Dickicht kämpfte, hatte mit seinen feinen Ohren diese Worte vernommen. Die Pupillen seiner Augen weiteten sich wie die einer Eule bei der Nachtjagd. Gleichzeitig begann das Amulett Leonardo de Montagnes rasend zu pulsieren.
Dämonen! - In unmittelbarer Nähe war eines oder mehrere von denen, in deren Adern schwarzes Blut floß. Und Zamorra wußte bereits, wer vor ihm stand. Dieses Weib hatte schon einmal seine Wege gekreuzt. [1] Damals hatte es allerdings sehr schnell die Gestalt gewechselt. Denn es galt, einen vom höllischen Adel in seine Schranken zu verweisen. Und Es’chaton, der Endzeit-Dämon, spürte die Macht des Fürsten der Finsternis. Denn kein geringerer als Asmodis, Zamorras großer, höllischer Gegenspieler, war aufgetaucht.
Abrupt blieb Professor Zamorra stehen. Gedanken wirbelten wie rasende Spiralnebel durch sein Gehirn. Was mochte dieser Heerführer der Hölle von ihm wollen. Denn mit Kleinigkeiten gab sich Asmodis nicht ab. Gleich gar war sich der Schwarzblütige der Gefahr, die ihm durch Professor Zamorra drohte, sehr wohl bewußt. Niemand wußte, ob nicht Merlins Stern die Kraft haben konnte, auch die Existenz derer zu löschen, die dem Throne des allmächtigen Kaiser Luzifer am nächsten standen. Außerdem bestand die Gefahr, daß sich das Flammenschwert im Verlaufe einer Auseinandersetzung manifestierte. Vor dieser fast unüberwindlichen magischen Waffe aber war Asmodis schon einmal geflohen.
Der Meister des Übersinnlichen beschloß, erst einmal abzuwarten, den Teufel aber gleichzeitig auf Distanz zu halten. Dem Urenkel der Schlange war nicht zu trauen. Und das Amulett handelte selbständig, um seinen Besitzer vor einem Angriff von Asmodis oder dessen Helfern zu bewahren. Aus der pulsierenden, hieroglyphenbedeckten Silberscheibe strömte reine Energie aus. Augenblicke später war der Parapsychologe in einen undurchdringlichen, grünen Energiemantel gehüllt.
»Apage, Satanas!« sagte Zamorra ruhig. »Weiche, Satan!«
***
Die Körper der beiden Jungen erstarrten zur Salzsäule. Hier geschahen Dinge, die über ihren Verstand gingen. Jörg Bernhard konnte mit den derzeitigen Ereignissen überhaupt nichts anfangen. Er war ein Kind seiner Zeit, die Technik bestimmte sein Leben. Die Ereignisse der vergangenen Stunden hatten sich für ihn angelassen wie ein Indi anerspiel seiner Kindertage. Hier aber, das spürte er, bahnten sich Dinge an, die über das Begriffsvermögen des normalen, zivilisierten Menschen hinausgehen würden. Kamen die Tage eines Doktor Faustus wieder. Verhandelte der Mensch wieder mit dem Teufel?
Apage, Satanas! - Weiche, Satan!
Peter Michael dagegen, weitaus belesener als sein Freund Jörg, ahnte dunkel die Zusammenhänge. Was er bisher von Zamorra gehört und gesehen hatte, gab ihm die Überzeugung, daß dieser Mann genau wußte, was er tat. Auch war ihm auf dem Flohmarkt, den er besuchte, um gewisse, seltene Jazz-Schallplatten für einen erträglichen Preis einzukaufen, verschiedene einschlägige Literatur in die Hände gefallen. Die zerfledderten Bücher mit den Einbänden aus zerrissenem, schwarzen Leder von sicherlich ehrwürdigem Alter erwiesen sich als theologische Werke der Katholischen Kirche, in denen besonders Aufbau und Hierarchie der Hölle erklärt waren.
Und darin stand ganz genau geschrieben, daß es sich nicht um den Teufel schlechthin handeln konnte. Wie über den Himmeln der Dreifaltigkeit Gottes umgeben von Engeln und Erzengeln thront, so herrscht im Reiche der Verdammnis Satan in dreifacher Gestalt. Und wie man die Dreieinigkeit als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, der über allem schwebt, kennt, so sind die Namen der Höllengebieter Put Satanachia, die Sabbathziege, Beelzebub und Satanas Merkratik, die Inkarnation des Bösen, den andere auch den
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