Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0184 - Der Kraken-Götze

0184 - Der Kraken-Götze

Titel: 0184 - Der Kraken-Götze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
Vom Netzwerk:
Hermann Zartes krümmten. Sie war hinzugesprungen, wollte helfen. Dann aber hatte sie in Hermanns Augen gesehen und die Leere des Todes darin verspürt. Dieses bleiche, keiner Regung mehr fähige Gesicht, das nur noch entfernte Ähnlichkeit mit dem freundlichen Jungen hatte, der Zartes im irdischen Leben gewesen war. Tief in ihrem Inneren spürte sie, daß Hermann Zartes tot war und sein Körper vom Willen eines höllischen Meisters gelenkt wurde.
    Entsetzt blieb Monika Kranz stehen, ihre Beine wurden weich, schienen das Gewicht ihres Körpers nicht mehr tragen zu können. Sie sah Doris und Birgit zusammensinken, eine Ohnmacht hatte sie in gnädiges Dunkel gehüllt.
    Dann aber umwehte sie der Eishauch des Todes. Ohne die Kraft, auch nur ein Glied zu rühren, verspürte sie die Aura des Bösen. Verbissen kämpfte sie gegen die lähmende Schwäche. Langsam, unendlich langsam, gelang es ihr, sich herumzudrehen.
    Sie blickte in die grinsende Totenvisage des Siegmund Stoller. Krallig streckte sich die Hand aus, nach ihr zu tasten, ihren Körper zu packen und mit sich zu zerren. Ein Schauer durchschüttelte Monikas Körper. Die Furcht sprang sie an. Und sie floh. Rannte aufs Geradewohl in die Düsternis des Waldes Hinein. Sie machte sich keine Gedanken darüber, warum gerade im Augenblick höchster Gefahr für sie die Lähmung aus ihren Gliedern gewichen war. Nur fort, hämmerte es in ihr. Weg aus der Reichweite dieser Bestie, die der Kühle des Grabes entronnen war.
    Monika Kranz lief um ihr Leben, wurde vorwärts gepeitscht von der namenlosen Furcht. Minuten oder Stunden, das Mädchen hatte jegliche Zeitbegriffe verloren. Äste peitschten in ihr Gesicht, sie achtete nicht darauf. Dürres Holz krachte unter dem leichten Tritt ihrer eilenden Füße, es minderte nicht ihre Geschwindigkeit.
    Normalerweise wäre sie längst zusammengebrochen, apathisch in ihr Schicksal ergeben. Aber wer einen Jörg Bernhard zum Freund hat, muß gut zu Fuß sein. Als begeisterter Langstreckenläufer und Favorit bei Volksläufen mußte sich Monika Kranz zwangsläufig mit dem Phänomen »Jogging« befassen. Jörg war manchen Kilometer mit ihr durch die heimischen Wälder gelaufen und hatte ihr die Schönheit der Natur gezeigt. Monika hatte geschwitzt, gekeucht und geschimpft, aber schließlich hatte ihr die Sache doch Spaß gemacht. Es war ihr dadurch sogar gelungen, den Lungentorpedos zu entsagen und das Rauchen aufzugeben.
    Jede Tätigkeit im Leben eines Menschen kann einmal nützlich sein. Monika Kranz besaß durch das Langlauftraining eine überdurchschnittliche Kondition, gleichzeitig eine Trittsicherheit auf dem unebenen Boden, wo ein Ungeübter nach wenigen Schritten schwer gestürzt wäre.
    Aber ihr Verfolger war nicht natürlichen Ursprungs. Er wurde getrieben von der Macht des Bösen, wußte in sich den Befehl: Fang sie und bring sie zu mir! Meter für Meter wurde Monikas Vorsprung geringer.
    Dann aber wollte es das böse Geschick, daß das Mädchen über einen halbverrotteten Baumstumpf stolperte. Schmerzhaft schlug sie auf, ein klagendes Stöhnen kam über ihre Lippen. Taumelnd versuchte sie, sich zu erheben.
    Da! Tapp - tapp - tapp! Die Schritte näherten sich unaufhaltsam.
    Angst griff nach Monika. Sie rollte sich herum und - Gütiger Gott! Vom gleichen Licht des Mondes umflossen stand die Gestalt Siegmund Stollers über ihr, sein Schatten fiel auf das Mädchen. Monikas frische Gesichtsfarbe war einer Totenblässe gewichen. War der Weg hier zu Ende? Sah so der Tod aus? Würde der Faden ihres jungen Lebens hier gekappt werden? Am ganzen Körper zitternd, versuchte das Mädchen, aus dem Griffbereich der Bestie fortzukriechen.
    Wie die Klaue eines Greifvogels näherte sich die Hand des Toten…
    ***
    Es heißt immer, daß sich vor den Augen der Sterbenden ihr gelebtes, irdisches Leben wie ein Film abspult. Andere rufen im Angesicht des nahen Todes nach ihrer Mutter. Und manch einer schließt die Augen um nicht hinsehen zu müssen, wenn der knöcherne Arm des Todes die Sense schwingt. Aber in Monikas Augen spiegelte sich nur das namenlose Grauen wider.
    Verzweifelt ergab sie sich in ihr Schicksal. Totenfinger näherten sich ihrem hübschen, nun von einer Leichenblässe überzogenen Gesicht. »Großer Gott«, zitterte ihre Stimme durch die Nacht, »hilf mir!«
    Sie hätte nicht sagen können, was dann geschah. Ein Schrei, der das Blut in den Adern gefrieren ließ, durchbrach die Nacht. Die Gestalt Siegmund Stollers war auf das Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher