0184 - Der Kraken-Götze
nicht mehr alles blind, was der Pfarrer von der Kanzel predigte. Auch nahm er es mit den Pflichten des guten Christen wie den Empfang der Sakramente und den Besuch der Gottesdienste nicht mehr so genau. Hier aber versagte sein Begriffsvermögen. Greifbar nahe stand ihm gegenüber der große Widersacher, die alte Schlange, der Vater der Lüge. Peter Michael sah den Pferdefuß und den rastlos hin- und herpendelnden Satansschweif. Sein klares Denken setzte aus. Es galt, den bösen Feind zu bekämpfen. Kämpfer für die Lichtwelt! hämmerte es in ihm. Nieder mit Satan!
Die Teufelsfratze verzog sich zu einem abartigen Lächeln. Ein herausforderndes, meckerndes Lachen erklang. Und noch ehe Professor Zamorra seinen jungen Freund zurückhalten konnte, hatte dieser das blitzende Schwert hochgerissen. Wie der Strahl des Wetterleuchtens schimmerte ›Argument‹, als es der Junge kreisen ließ. Mit einem Wutschrei sprang Peter Michael auf den Pferdefüßigen zu. Doch der Teufel reagierte.
Er wurde förmlich zurückgeschleudert. Ein Schmerz, wie er ihn nie gekannt hatte, durchraste seinen Körper.
»Verblendeter!« stöhnte Asmodis, »spüre für einen Moment eine Ahnung der höllischen Flamme, und merke dir, wie der Teufel spaßt!«
Peter Michael sank zusammen, schmerzgekrümmt, keiner Bewegung mehr fähig. Aber seine Hand umkrallte noch immer das Schwert. Die Klinge hatte keinen Schaden gelitten.
Nur noch Professor Zamorra stand dem Wesen aus der Hölle gegenüber. Im Grunde seines Herzens betete er, daß ein gnädiges Geschick seine Hand über Leib und Seele der beiden jungen Menschen halten möge. Er selbst hatte in das Geschehen nicht eingreifen können, da das Amulett um ihn einen kabbalistischen Kreis gezogen hatte. Im Inneren ahnte der Parapsychologe, daß auch der Fürst der Finsternis vor der Energie, die Merlins Stern ausstrahlte, zurückweichen würde. Zamorra war sicher, daß er beim Verlassen magischen Schutzes Asmodis zur Beute fiele.
»Wandle dich! Wandle dich!« rief der Meister des Übersinnlichen noch einmal seinem Erzrivalen zu. »Zeige dich in der Gestalt, wie du am Throne des Kaiser Luzifer erscheinst. Gib dich zu erkennen als mächtiger Großpririz der Falschen Hierarchie und Erzkanzler des Ordens des Feuermolchs! Ich befehle es dir im Namen dessen, dessen wahrer Name zu nennen den Sterblichen auf ewig verboten ist, gleichermaßen auch im Namen der Mächtigen, die da auf Gad zueilen und auch auf Llarhore!«
Die Antwort war ein Blitz, jäh entflammt und von einem rollenden Donnerschlag begleitet. Aus sich kräuselnd verflüchtigendem Rauch bot sich den drei Betrachtern die Gestalt eines Mannes dar, der die sechzig Jahre gerade überschritten hatte.
Graues Haar kräuselte sich um ein Angesicht aus dem die Weisheit des Sokrates, die Machtgier des Dschingis Khan und der Wahnsinn des römischen Kaiser Caligula zu sprechen schien. Das Haar war gehalten von einem roten Stirnband, in das unverständliche, goldblitzende Zeichen und Symbole eingestickt waren. Umhüllt war die Gestalt mit einem langen, faltigen Gewand, das vom hellen Grau bis zum tiefsten Schwarz alle Farben der Düsternis widerspiegelten. Diese Farben waren aber nicht konstant, sondern schienen ineinander zu zerfließen. In der Hand hielt Asmodis einen - silbernen, mattschimmernden Krummstab. Das höllische Wesen glich in seiner Urgestalt eher einem Götzenpriester der grauen Vorzeit denn einem der höllischen Machthaber.
»Können wir jetzt vernünftig reden?« sprach Asmodis den Meister des Übersinnlichen an.
***
Nach Monika Kranz griff der Tod. Stolpernd kämpfte sie sich durch den nachtschwarzen Wald, weder Weg noch Pfad suchend. Ihr röchelnder Atem kam stoßweise, sie knickte ein, raffte sich wieder auf und rannte weiter.
Hinter ihr nahte das Verderben, ließ sich nicht abschütteln, bereit, seine Finger um Monikas Körper zu legen und… ! Monikas Fantasie versagte, sich das ihr bevorstehende Schicksal plastisch vorzustellen. Jede Faser ihres Körpers war auf Überleben eingestellt, trieb sie voran.
Tapsenden Schrittes verfolgte sie das Wesen, das einst Siegmund Stoller gewesen war, wurde vorwärts getrieben auf Geheiß dessen, den der Tod ausgespien hatte. Und der Tote, von dämonischen Kräften gelenkt, verkürzte stetig den Abstand zu seinem Opfer.
Wie ein blutiger Horrorfilm war alles vor Monikas Augen abgelaufen. Mit schreckgeweiteten Augen hatte sie mit ansehen müssen, wie Doris und Birgit sich unter den Griffen des
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