0186 - Höllenfahrt um null Uhr zehn
oder ihn über den Haufen schießen muß, jedenfalls wird er reden. Wegen dieser beiden sogenannten Vertreter würde er, Gosser, nicht den elektrischen Stuhl besteigen.
***
In der zentralen Fingerabdruckkartei in Washington gehen täglich weit über 20 000 Anfragen nach der Identifizierung von Fingerabdrücken ein. Natürlich läuft der Betrieb hier Tag und Nacht.
Ich weiß nicht, nach welchen Gesichtspunkten andere Staaten ihre Polizeiorganisationen aufgezogen haben. In Washington herrscht seit der Gründung des FBI der Grundgedanke, daß alles und jedes so organisiert werden müßte, damit der Betrieb möglichst schnell, zuverlässig und ohne überflüssige Reibung abläuft. Dabei geht man von der Tatsache aus, daß Schnelligkeit in der modernen Verbrechensbekämpfung wahrscheinlich der entscheidende Faktor überhaupt ist.
Als unsere Bilder über Bildfunk eingegangen waren, erhielt die Karte einen Stempel in roter Farbe, Aufschrift »dringend«.
Über Rohrpost wanderte die Karte auf ein System von Fließbändern. Rechts und links saßen fleißige weibliche Spezialkräfte, die von jeder Karte in unwahrscheinlicher Geschwindigkeit die Formel der Abdrücke ausrechneten und mit der vom Einreicher schon angegebenen Formel verglichen. Ein raffiniert ausgeklügeltes Verteilernetz warf unsere Karte ebenfalls wieder per Rohrpost in die Auffangschale der Abteilung, in der alle Fingerabdruckkarten in den Karteikästen standen, die zur ersten Hauptnummer der Formel gehörten.
Hier versahen insgesamt 60 FBI-Anwärter ihren Dienst. 50 von ihnen bearbeiteten die normalen Anfragen. Drei führten die Listen, zwei suchten die Steckbriefe der gesuchten Leute heraus, und die restlichen fünf waren mit der Bearbeitung der dringenden Anfragen beschäftigt.
Einer von ihnen war Steve O’Connor, ein eingewanderter Ire, der allerdings bereits die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß.
»Sieh mal an«, sagte er, als er unsere Karte in die Hände bekam. »Anfrage von Cotton in der pennsylvanischen Liebespaarmörder-Sache. Na, dann wollen wir mal sehen, was für schräge Vögel unser lieber Cotton da wieder aufgegabelt hat!«
Mit dem routinierten Blick eines Mannes, der seine Tätigkeit nun schon seit einigen Monaten ausführt, sah er auf die zweite Nummer in der ersten Formel.
»O wie Otto«, murmelte er vor sich hin, während er durch die endlosen Gänge schritt, die rechts und links von brusthohen Regalen mit prallgefüllten Karteikästen gebildet wurden. Washington besitzt eine Fingerabdrucksammlung von sage und schreibe 140 Millionen!
Beim Buchstaben O wandte sich Steve nach rechts und fuhr mit den Fingerspitzen der rechten Hand oben an der Regalkante entlang. Die Unterabteilungen huschten vorüber. 1, 2, 3, 4, 5…
Bei 6 blieb Steve stehen und bückte sich. Wieder glitt sein suchender Blick über die Aufschriften der verschiedenen Karteikästen:…o…p…r…
»Da haben wir’s ja«, brummte er und zog den Kasten »s« heraus.
Er nahm die erste Karte in die Hand und blätterte mit der Rechten flott die Karteikarten durch. Ungefähr in der Mitte des Kastens stockte er. Er zog eine Karte heraus, legte sie auf das Regal und zog die Standlupe heran, um zu vergleichen.
Der Vergleich fiel negativ aus. Steve warf die Karte zurück und nahm die nächste. Die übernächste. Die dritte, vierte, fünfte…
Bei der elften Karte schmunzelte er zufrieden und sagte: »Na also!«
Ein kleiner roter Reiter auf der Karte sprach Bände für den Eingeweihten. Er sagte nämlich: der Mann, von dem diese Fingerabdrücke stammen, wird steckbrieflich gesucht!
Steve ging zurück zu der kleinen Glaskabine, wo der ganze Betrieb dieser Etage zusammenführte. Vor einer Wand stand ein Regal, in dem sich 80 numerierte Körbchen befanden. Steve trug auf seinem Hemd ein Schildchen mit der Nummer 58. Er legte die soeben identifizierten Fingerabdrücke in sein Körbchen und klemmte das rote Blechschild an die Karte, das dieselbe Aufgabe wie der rote Reiter hatte: zu verkünden, daß der Urheber dieser Abdrücke steckbrieflich gesucht wurde.
Während sich Steve bereits auf den Weg machte, um die nächsten Abdrücke unserer zweiten Karte zu suchen, nahm Robert Morlean aus den Körben 56,57,58,59 und 60 alle dringenden Karten heraus.
Er sah sie flüchtig durch. Keine einzige der Karten trug das rote Blechschildchen außer der Karte aus dem Korb 58. Roger warf die übrigen Karten in den Auffangschlitz der Rohrpost, nahm die Karte mit dem roten
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