0187 - Der Teufel hat umsonst gelacht
beiden. Wenn jemand ermordet wird, muß man die Cops holen! Und das habe ich getan.«
Inzwischen hatte Doc Price das Mädel wenigstens halbwegs beruhigt. Er holte eine Injektionsspritze aus seinem Köfferchen, brach den Hals einer Ampulle ab, zog den Inhalt auf und streifte Nells Morgenrock bis übers Knie hoch. Bereits dreißig Sekunden später schlief sie. Ihr Atem ging regelmäßig. Der Doc faßte nach dem Puls und nickte. Dann kam er herüber.
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen den Mund halten?« fuhr er die blonde Barbara an. »Wie kommen Sie dazu, Nell mit einer Nachricht zu überfallen, von der Sie wissen mußten, daß sie sich darüber schrecklich aufregen würde?«
»Warum sollte sie sich darüber aufregen? Es steht ja fest, daß sie die Alte totgeschlagen hat«, war die unverschämte Antwort.
»Sie müssen es ja wissen!« schnaufte der Arzt und ließ sie stehen.
Am liebsten hätte ich meine Drohung wahrgemacht und das kleine unverschämte Stück eingesperrt, aber dazu lag kein Grund vor. Trotzdem wollte ich sie nicht frei ’rumlaufen lassen, wenigstens nicht für die nächsten Stunden. Sie würde sonst in ihrer Gehässigkeit noch mehr Unheil anrichten. Ich brachte sie, obwohl sie fauchend protestierte, in das Büro der Brigadierin und schloß sie dort ein.
***
In einem der anderen Zimmer hatte Leutnant Crosswing sich etabliert. Er saß am Tisch, neben ihm Sergeant Green mit seinem unvermeidlichen Notizbuch. Der Sergeant war gerade dabei, einen Tintenstift anzuspitzen. Er verachtete neumodische Dinge wie Kugelschreiber und verließ sich lieber auf sein altbewährtes Handwerkszeug.
Die Mädchen wurden nacheinander hereingerufen und vernommen. Es war eine buntgemischte Gesellschaft: junge Dinger, die es trotz der späten Stunde nicht versäumt hatten, ihr Make-up aufzufrischen. Die meisten hatten keine Arbeit, andere hatten »Freunde« und verkehrten in zweifelhaften Lokalen. Daneben gab es ältliche Frauen, die das Heim als Zuflucht vor Obdachlosigkeit benutzten, weil sie zuwenig verdienten, um ein teures Zimmer oder gar ein kleines Appartement bezahlen zu können.
Die meisten hatten nichts gehört und nichts gesehen, aber auch sie stimmten darin überein, daß Nell eine Herumtreiberin sei und fast niemals nüchtern nach Hause gekommen war. Nun, das war nichts Neues für uns.
Nur einige wenige waren intelligent und anständig genug, die Ursachen von Nells Eskapaden zu erkennen. Einmal fiel sogar das Wort »Mitleid«. Es war ein älteres, verhärmtes Mädchen, Anna Audubon, die meinte, Nell gehöre in eine Nervenklinik oder zu Menschen, die es gut mit ihr meinen.
Die drei »Zeuginnen«, von denen Crosswing zu Beginn gesprochen hatte, schlossen sich Barbara Urban an.
Die zwei anderen hielten einer eindringlichen Befragung nicht stand. Sie flüchteten sich in die Ausrede, sie hätten nicht von dem heutigen Abend, sondern ganz allgemein davon gesprochen, daß Nell gewöhnlich betrunken gewesen sei.
Es war drei Uhr vorüber, als Leutnant Crosswing das magere Resultat der Vernehmungen mit einem einzigen Wort bezeichnete: »Pleite!«
In diesem Augenblick meldete sich Sergeant Green.
»Ich habe mich vorhin darum gekümmert, woher denn der eiserne Schürhaken stammt. Ich habe herausgefunden, daß es in der Küche eine altmodische Heizungsanlage gibt, durch die sämtliche Zimmer versorgt werden. Neben dem Feuerloch hing dieser Haken. Der Mörder oder die Mörderin muß ihn von dort geholt haben. Der Tatort, direkt hinter der Eingangstür, legte die Annahme nahe, daß Mrs. Ronald Nell Vorwürfe gemacht habe, als die nach Hause kam, aber das stimmt aus zweierlei Gründen nicht. Erstens hat ja die Urban, die allerdings keine klassische Zeugin sein dürfte, angegeben, Nell sei bereits im Zimmer gewesen und wieder hinausgegangen. Zweitens ist kaum anzunehmen, daß Nell mit dem Schürhaken in der Hand unterwegs war. Es wäre möglich, daß Mrs. Ronald irgendwelchen Grund zur Furcht hatte und sich damit bewaffnete, bevor sie die Tür öffnete, daß der Mörder ihn ihr wegnahm und sie damit niederschlug. Diese Vermutung jedoch halte ich ebenfalls für abwegig. Mrs. Ronald hätte sich das Ding bestimmt nicht abnehmen lassen, ohne ein lautes Geschrei zu erheben, und das wäre gehört worden. Der Mörder muß im dunklen Gang auf sie gewartet und sie niedergestreckt haben, bevor sie einen Laut ausstoßen konnte. Trotzdem ist mir immer noch schleierhaft, wieso die Mädchen in den beiden zunächstliegenden
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