0187 - Der Teufel hat umsonst gelacht
Gehässigkeiten und verkappte Beleidigungen an den Kopf, und dann sagte ich:
»Ich habe keine Zeit mehr.«
Als ich schon in der Tür war, sagte Dr. Dalton plötzlich:
»Ich habe mir die Sache überlegt. Unter den obwaltenden Umständen bin ich der Überzeugung, daß meine Behandlung erfolglos bleiben wird. Es geht nicht an, daß sich alle möglichen Leute einmischen. Entweder habe ich einen Patienten vollkommen in der Hand oder ich verzichte überhaupt, mich mit ihm zu beschäftigen.«
»Das ist das einzig Vernünftige, was Sie innerhalb der letzten fünfundvierzig Minuten von sich gegeben haben«, knurrte ich. »Sie können dem Mädchen gar keinen größeren Gefallen tun, als sie aus den Klauen lassen.«
»Aber Doktor, das ist doch gegen jede Verabredung!« sagte Mr. Poulter erschrocken. »Sie haben mir doch fest versprochen, Nell zu einem brauchbaren Menschen zu machen. Sie haben mir sogar erklärt, Sie seien ihre letzte Rettung! Und jetzt wollen Sie das arme Kind plötzlich im Stich lassen?«
Dabei hielt er die Hände gefaltet, und seine Stimme klang, als wolle er in Tränen ausbrechen. Ich hätte Mr. Poulter unbedenklich bescheinigt, daß er ein hervorragender Schauspieler war.
Dr. Dalton machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Nun gut, Ihretwegen, aber nur Ihretwegen werde ich die Behandlung probeweise fortsetzen. Wenn ich jedoch endgültig zu der Einsicht komme, daß es nutzlos ist oder daß Nell sich mir entzieht, gebe ich endgültig auf.«
»Sie wird sich nicht entziehen!« zischte der ›liebende Vater‹. »Wenn sie Geschichten macht, schlage ich sie zum Krüppel!«
»Endlich!« grinste ich.
Mr. Poulter hatte die Maske fallen lassen.
Dann ging ich wirklich. Es war höchste Zeit, daß ich mich mit Dr. Baker besprach. Der wenigstens war kein krasser Laie.
***
Im Office wartete Phil auf mich.
»Was hast du erfahren?« fragte ich neugierig, denn ich sah seinem Gesicht an, daß er was Besonderes ausgeknobelt haben mußte.
»Daisy Hendrick war achtundzwanzig Jahre alt und verheiratet. Ihr Mann George Hendrick ist Bürovorsteher in einer großen Baufirma und hat vor wenigen Tagen Prokura bekommen. Ich habe ihn gesprochen. Er ist ganz verzweifelt über den Tod seiner Frau und behauptet, er habe das kommen sehen.«
»Warum hat er dann zugelassen, daß sie zu diesem Dalton ging?«
»Er hat sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, behauptet jedoch, seine Frau habe vollkommen unter dem Einfluß ihres etwas älteren Bruders gestanden. Dieser Bruder ist selbst Arzt, hat aber noch keine eigene Praxis. Mrs. Hendrick litt an Depressionen und war deshalb eine Zeitlang in einer privaten Nervenklinik. Sie wurde dann als stark gebessert entlassen. Kurz nach ihrer Entlassung jedoch verschlimmerte sich die Krankheit, und sie machte einen Selbstmordversuch durch Einnehmen von Tabletten. Glücklicherweise kam ihr Mann früher als gewöhnlich nach Hause, und so wurde sie gerettet. Danach setzte ihr Bruder es durch, daß sie in Daltons Institut zur Behandlung ging. Zuerst besserte sich ihr Zustand tatsächlich, aber vor einer Woche schlug es ins Gegenteil um. Dr. Dalton, den der besorgte Ehemann anrief, erklärte, das sei nur natürlich. Er brauche sich keine Sorgen zu machen. Dasselbe behauptete auch der Bruder. Mr. Hendrick ließ sich breitschlagen, und jetzt macht er sich die größten Vorwürfe. Er hat sich sogar dazu hinreißen lassen, den Bruder seiner Frau, dem er die alleinige Schuld gibt, zu ohrfeigen.«
»Weiter! Weiter!« drängte ich, denn ich merkte, daß das Wichtigste erst noch kommen würde.
»Tja, der Rest ist außerordentlich aufschlußreich. Es ist bezeichnend, daß der Ehemann davon anscheinend gar nichts wußte. Durch einen reinen Zufall kam ich dahinter, daß die Eltern der Mrs. Hendrick noch am Leben sind und in Boston wohnen. Die Leute sind altmodisch und schrullig. Ich wurde von einem Diener empfangen, der mir ausrichtete, ich solle mich an die Anwälte des Mr. Macomb — das ist Daisy Hendricks Mädchenname — wenden, was ich umgehend tat. Der Anwalt begriff sofort, was ich wollte, und es bedurfte keiner großen Überredungskunst, um von ihm zu erfahren, worauf es ankam. Das Ehepaar Macomb ist nicht nur wohlhabend, sondern reich. Aber die beiden alten Leute stehen auf dem Standpunkt, daß ihre Kinder erst dann in den Genuß dieses Reichtums kommen sollen, wenn die Eltern das Zeitliche gesegnet haben. Sie faßten also ein Testament ab, nach dem sowohl die Tochter als auch der Sohn je
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