0189 - Im Schatten der Ratte
und auch nicht besonders hübsch.
Nelson beobachtete mich genau, obwohl er immer noch leise wimmerte. Ich sah den tückischen Glanz in seinen Augen und wusste, das er sich noch nicht verloren gab. Als ich zum zweiten Mal zum Wasserkran ging, versuchte er es.
Er schnellte hoch, aber er griff nicht mich an, sondern er sprang auf eine Kommode zu, die in der Nähe des Fensters stand.
Mit einem Fußtritt feuerte ich ihm einen Stuhl in den Weg und sprang ihm nach, aber ich brauchte nicht mehr einzugreifen. Er fiel über den Stuhl und brüllte vor Schmerzen auf.
Ich fasste zu und zog ihn hoch. »Nimm Vernunft an«, sagte ich. »Sieh ein, dass du verspielt hast.«
In seinen Augen loderte es. Sein Gesicht war geisterhaft bleich, und er hatte sich selbst so in die Lippe gebissen, dass Blutstropfen über sein Kinn rannen.
»Dich erwische ich noch«, knirschte er. »Den Hunden werfe ich dich zum Fraß vor.« Und dann sprudelte er eine Flut von unwiederholbaren Schimpfworten hervor.
Phil kam herein. Er bemächtigte sich sofort des Gangsters, drückte ihn auf einen Stuhl und knurrte: »Halt jetzt deinen Rand!«
Ich bemühte mich weiter um die Frau, aber es dauerte länger als zehn Minuten, bis sie die Augen aufschlug. Phil inspizierte unterdessen die Wohnung. Hinter der Kommode, die Nelson zu erreichen versucht hatte, fand er eine Maschinenpistole mit zwei Ladestreifen. Auch diese Waffe stammte aus dem Stützpunkt von Cornwall.
»Ich wette, wir finden in diesem Bau noch einige interessante Dinge, und ich würde mich nicht wundern, wenn wir auch ein beachtliches Dollarpaket entdeckten«, sagte er.
»Du kannst in Ruhe danach suchen«, antwortete ich. »Ich bringe die Frau und Nelson ins Hauptquartier. Du bleibst hier für den Fall, dass einer der Gangster auftauchen sollte. Ich löse dich ab, sobald ich kann.«
Phil trug eine Knebelkette bei sich. Ich legte sie um Nelsons gesundes Handgelenk und nahm selbst den Hebel zwischen die Finger. Eine Drehung an dem Hebel genügt, um einen Mann, der auszubrechen versucht, zur Vernunft zu bringen.
Die Frau hatte sich aufgerichtet und starrte blicklos vor sich hin. Sie machte keine Schwierigkeiten, als ich ihr befahl, einen Mantel über ihr Hauskleid zu werfen und mitzukommen.
Wortlos ging sie vor mir die Treppe hinunter, während ich neben Nelson ging, dem Phil das Halfter abgeschnallt und eine Jacke übergeworfen hatte.
Clear wartete vor dem Haus in einem Taxi. Sehr schnell verfrachteten wir den Gangster und die Frau. Allan setzte sich hinter das Steuer. Niemand achtete auf uns. Ein paar Kinder, die am Straßenrand spielten, sahen nicht einmal auf.
***
Vor dem FBI-Hauptquartier lungern immer einige Journalisten herum in der Hoffnung, als erste Wind von einer kriminellen Neuigkeit zu bekommen. Ich bat Clear, in den Hof zu fahren. Durch einen Nebeneingang erreichten wir mein Büro. Wir haben eine Unfallstation im Haus. Ich ließ den Doktor heraufkommen. Er untersuchte Nelsons Hand und die Frau.
»Das Gelenk muss geschient werden«, erklärte er, »und die Frau sieht so aus, als hätte sie eine Gehirnerschütterung.«
»Können Sie es machen, Doc?«
»Besser, sie werden in ein Krankenhaus gebracht.«
Ich ließ Babyface Nelson nicht gern aus den Augen, aber bei uns gilt das Wort des Arztes. Ich ließ einen Transportwagen bereitstellen. Unter der Bewachung von vier G-men wurden Nelson und die Frau zur fachgerechten Behandlung in das nächste Hospital gefahren.
Ich fuhr nicht mit. Ich ließ mir Eddie Strime kommen.
»Deine Information war in Ordnung. Wir haben Babyface. Jetzt wollen wir sehen, ob du deine Freunde in unserer Sammlung findest.«
Ich ging mit ihm zum Vorführraum. Es war ganz einfach. Strime identifizierte anhand der vorgeführten Bilder Charles Wannigan, Cross Choster und John Ratcliff, der sich John Dillinger nannte. Auch Tony Samless alias Babyface Nelson fand sich in unserer Sammlung. Lediglich Bill Hunter schien eine unbekannte Größe zu sein.
»Schickt mir die Akten rauf!«, bat ich das Archiv. Dann nahm ich Strime noch einmal ins Gebet.
Ein Gangster, der einmal angefangen hat zu singen, wird alles erzählen, was er weiß; und Eddie Strime war nicht einmal ein Gangster, höchstens ein kleiner Gauner.
Ratcliff hatte ihn vor etwa acht Wochen in einer Kneipe angesprochen, in der Strime sich herumtrieb in der Hoffnung, jemand zu finden, der ihm einen Drink zahlte.
»Ich höre, dass du knapp bei Kasse bist«, hatte der Gangster gesagt. »Ich zahle tausend
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