0189 - Im Schatten der Ratte
Dillinger.«
Der Lausprecher dröhnte: »Johft Dillinger Nr. 2! Hier spricht der Chef des FBI New York. Das Gelände ist umstellt. Widerstand ist zwecklos. Werft die Waffen fort und kommt heraus!«
Mr. High wiederholte die Aufforderung zweimal und setzte zum Schluss hinzu: »Ich gebe euch drei Minuten!«
Ich klemmte mir die MP unter den Arm und ging zu dem Eingang, der nichts anderes war als ein großes Loch in der Mauer. Die Torflügel waren längst verschrottet.
Die ehemalige Fabrik, genauer gesagt: Ihre Trümmer lagen im grellen Licht. Zunächst war ein großer und freier Hof zu überqueren, der bis auf einige Schutthaufen ohne jede Deckung war. Dahinter lagen die eigentlichen Fabrikgebäude, zwei große Hallen und ein dachloses Gebäude, das anscheinend früher die Büros beherbergt hatte. Eine verrostete Krankonstruktion zwischen den Bauten warf im Scheinwerferlicht einen schwarzen Schlagschatten und schien sich gewissermaßen verdoppelt zu haben.
Ich blickte auf die Leuchtziffern der Armbanduhr. Die drei Minuten waren vorbei.
»Los, Männer!«, befahl Mr. High über den Lautsprecher.
Im gleichen Augenblick rief eine Stimme von der Halle herüber.
»Ja, kommt nur und versucht es. Ihr fasst mich nie!«
Ich finde nur einen Ausdruck für diese Stimme. Sie war getränkt mit kaltem Hass.
Die Scheinwerfer hoben sich. Ihr Licht lag jetzt voll auf den Gebäuden und ließ den Hof im Dunkeln. Die Gangster konnten uns nicht sehen, solange wir darauf achteten, nicht in den Strahl eines der Scheinwerfer hineinzugeraten.
Ich marschierte los. Links von mir ging Phil, rechts Allan Clear. Durch die Mauerlücken schoben sich die anderen G-men in den Hof. In einem Halbkreis gingen wir auf die Gebäude zu.
Drüben zuckten bläuliche Flämmchen auf. Die Salve einer MP heiserte durch die Nacht. Instinktiv blieb ich stehen und zog den Kopf ein, obwohl Dillinger kaum eine Chance hatte zu treffen.
Von links und rechts feuerten zwei oder drei unserer MP zurück. Mörtel und Steinstücke spritzten von den Mauern.
Ich ging weiter. Nur wenige Sekunden dauerte das Feuergefecht. Links und rechts von mir gingen G-men. Mein rechter Nebenmann in einem Abstand von fünfzehn Schritten war Phil. Nur noch wenige Schritte, und wir selbst erreichten die Scheinwerfergrenze. Das war der Augenblick, in dem die Scheinwerfer ausgeschaltet werden mussten, wenn wir den Gangstern nicht als Zielscheibe dienen wollten. Die Linie der vorrückenden FBI-Beamten stockte. Von links erscholl ein Pfeifsignal.
»Gib auf, John«, flüsterte Cross Choster heiser. »Sieh ein, dass es zwecklos ist.«
Das Licht lag wie eine Mauer vor ihnen. Es drang durch die Lücken und Löcher in der Hallenwand bis in den letzten Winkel. Es war so grell, dass in Chosters dumpfem Gehirn die Zwangsvorstellung hochkroch, er läge nackt und deckungslos, obwohl die Mauer der Halle ihn gegen jede Sicht schützte.
Wenn er die Blicke in die gleißende Helligkeit richtete, konnte er jede Einzelheit auf einem knappen Viertel des Fabrikhofes erkennen. Von allem, was jenseits der Halle war, sah er nichts. Er wusste nur, dass dort Männer herankrochen, die den Tod für ihn in den Händen hielten.
Cross Choster hatte ein Leben voller Verbrechen hinter sich. Er hatte nie die geringsten Hemmungen empfunden, zu schlagen, zu verletzten, zu quälen. In seinem Gehirn war nicht viel Intelligenz und vielleicht hatte er in seiner ganzen Gangsterlaufbahn selbst immer nur einen einzigen Gedanken aus seinem trägen Verstand geboren: aufzugeben, wenn es sinnlos schien.
Cross wusste genau, dass die Männer, die hinter der Mauer aus Helligkeit lauerten, die Waffen senken würden, wenn er die Arme hob. Nie würden sie schießen, wenn man sich ihnen wehrlos auslieferte, und Cross Choster hatte jedes Mal die Arme gehoben, wenn es schlecht stand. Andere, die bis zum Ende gekämpft hatten, waren unter den Kugeln der Cops und G-men gefallen. Er, Choster, war immer damit davongekommen, dass man ihn in ein Gefängnis sperrte.
Dillinger lag rechts neben Choster. Er als einziger besaß eine Maschinenpistole.
Choster hatte nur eine Pistole, während Bill Hunter, der auf der anderen Seite des Halleneinganges lag, ein Gewehr in den Händen hielt.
»Gib auf, John!«, flüsterte Choster eindringlich.
»Halt dein Maul«, antwortete der Gangsterboss kalt.
»John, sie knallen uns ab wie die Hasen. Wir sind nur diei, und sie sind drei Dutzend oder noch mehr. Es hat doch keinen Sinn, sich durchlöchern zu
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