019 - Der Sarg des Vampirs
auf die Lautsprechertaste.
X-RAY-3 wurde somit Zeuge des Gesprächs. Sanchos erstattete dem Herzog de Avilla Bericht. Auf diese Weise erfuhr der Amerikaner den neuesten
Stand der Dinge, hörte von dem ungewöhnlichen Zwischenfall und vom Verschwinden
des Mädchens Francesca.
»Ich kann das Gespräch nicht zu lange ausdehnen, Irene befindet sich im
Bad.« Sanchos redete hastig und bemühte sich, leise zu bleiben. »Ich muss mich
beeilen und möchte verhindern, dass sie Zeuge dieses Gespräches wird. Mir ist
aufgefallen, dass im Lauf des Abends weitere Zigeunergruppen in der Gegend
aufgetaucht sind«, fügte er noch hinzu. »Sie haben alle ein Ziel: den Wald. Ich
fürchte, wir müssen mit weiteren ernsthaften Vorfällen rechnen.«
Die Blicke der beiden Männer begegneten sich. »Erzählen Sie ihm von mir«,
flüsterte Larry. »Erklären Sie, weshalb ich hier bin und sagen Sie ihm, dass
ich ihn kurz sprechen möchte.«
Der Herzog erledigte das mit zwei knappen Sätzen, dann reichte er dem
PSA-Agenten den Telefonhörer.
Larry beschränkte sich auf das Notwendigste. »Ich weiß, worum es geht,
Sanchos! Wir verfolgen beide dasselbe Ziel! Es wäre vorteilhaft, wenn wir
miteinander sprechen könnten. Wo kann ich Sie treffen?«
»Am Dorfausgang«, erwiderte Sanchos knapp.
»In Ordnung. Ich begleite Sie zum Grab. Wir sehen uns die Stelle gemeinsam
an. Hoffen wir, dass wir Francesca noch lebend finden!«
»Das hoffe ich auch – aber ich erwarte es nicht mehr, Señor Brent«,
entgegnete Sanchos mit rauer, belegter Stimme. »Was Ihren Vorschlag betrifft,
so danke ich Ihnen. Unterstützung kann ich auf diesem Weg brauchen. Ich habe
das Gefühl, dass es keine langweilige Nacht werden wird. Nur selten habe ich
mich getäuscht!«
»Dann ergeht es Ihnen wie mir, Sanchos.« Larry legte auf. Er hatte die
Absicht, den Herzog darum zu bitten, dem Chauffeur Bescheid zu geben, dass er
ihn zum Dorf brachte.
Doch de Avilla kam ihm zuvor. »Ich stelle Ihnen
selbstverständlich einen Wagen zur Verfügung, Señor Brent. Das macht mir nicht
die geringsten Umstände, ich bitte Sie! Schließlich vertreten Sie meine
Interessen. Es ist wichtig, dass Sie beweglich sind.« Larry erhielt die
Autoschlüssel für einen schnittigen Alfa Romeo.
Einige Minuten später rauschte er mit dem Wagen davon.
●
Ernst und bleich blieb der Herzog de Avilla auf
seinem Schloss zurück, und doch mit einem Funken
Hoffnung. Er wusste seine Angelegenheit in besten Händen.
Der lange, düstere Korridor lag vor ihm.
Es war völlig still. Und in diese Ruhe platzte ein Aufschrei.
Alles Leben schien aus dem Körper des Herzogs zu weichen. Er war für den
Bruchteil einer Sekunde unfähig sich zu bewegen, nur seine Augen lebten und
erfassten das Ungeheuerliche.
Er starrte zu der großen, breiten, nach oben führenden Treppe, sah die
Gestalt seines Dieners, der die Stufen herabstürzte, sich überschlug und eine
Blutspur hinter sich herzog. Seine Hände krallten sich in den Perserläufer, und
schließlich blieb der Mann still und verkrampft liegen.
Wie in Trance kam der Herzog näher und sah, dass es sinnlos war, noch einen
Arzt zu benachrichtigen. Er sah auf die kleine Wunde am Hals – die
Halsschlagader war durchgebissen! Der Diener war verblutet.
Der Herzog de Avilla stürmte die Treppen hoch.
Deutlich zeichnete sich die lange frische Blutspur auf dem Teppich und dem
Korridorboden ab. Sie führte bis auf den Balkon. Mit einem Blick nahm de Avilla die Szene in sich auf. Auf der breiten steinernen
Balkonbrüstung lagen Werkzeuge, daneben stand eine lange Leiter, die unten
neben dem Rosenbeet einen festen Stand hatte. Der große parkähnliche Garten lag
in völliger Dunkelheit und absoluter Stille.
Der Diener wollte den breiten verwitterten Fensterrahmen, der aufgequollen
war und nicht mehr recht schloss, offenbar reparieren. Der Herzog hatte ihm
selbst dazu den Auftrag erteilt. Über die Leiter musste der unheimliche Feind
zu dem Diener hochgestiegen sein. Befand sich der Unheimliche noch im Schloss?
Der Herzog schluckte. Ein Stöhnen drang aus der Tiefe seiner Kehle. Panische
Angst erfüllte ihn.
»Estelle!«, rief er, und seine Stimme hallte laut und schaurig durch das
fast menschenleere Schloss.
Wie von Sinnen stürzte er die Treppen hinauf. Ein Stockwerk höher befanden
sich die Zimmer seiner Töchter. In einem lag Estelle. Doch sie war nicht
allein. Schwester Marina musste bei ihr sein, und ...
Da öffnete sich die Tür. Die Schwester, eine
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