019 - Der Sarg des Vampirs
Fluch erfüllt. Und das nicht
nur in unmittelbarer Nähe – auch weitab, in diesem Dorf hier, und vor allen
Dingen: unter der Familie der de Avillas . Dabei ist
egal, wo sie sich befinden. Die Zigeuner, das habe ich herausgefunden, scheinen
über einen langen Zeitraum hinweg jedes Familienmitglied genau zu beobachten
und zu beschatten. Sie wissen über alle Bescheid, sei es in Guadalupe, in
Madrid oder Barcelona. Entfernungen spielen für sie keine Rolle. Die
geheimnisvollen Verbindungen dieses nomadisierenden Volkes sind verblüffend.
Wir wissen sehr wenig über sie. Ich habe mich bemüht, mehr über ihre Kultur und
über ihre Lebensart kennenzulernen. Es gibt kaum eine erschöpfende Abhandlung
über Zigeuner. Sie verlieren sich zum Teil, wenn man aufmerksam liest, nur in
Vermutungen. Ich habe Hunderte von Büchern studiert und bin dabei auf den Namen
Sarkom gestoßen. Es soll einen persönlich geschriebenen Lebensbericht geben.
Dieses handschriftlich angefertigte Buch existiere – der Überlieferung nach –
nur in einer einzigen Ausgabe. Es könnte der Schlüssel zur Lösung des Rätsels
sein.«
»Sie glauben an die Geschichte von dem Vampir?«, wollte Larry Brent wissen.
»Wenn Sie mich so fragen, kann ich nur mit ja antworten.«
Lange Zeit blieb es still zwischen den Männern. Sie gingen rasch durch die
Dunkelheit, überquerten die Wiese, passierten einen breiten, holprigen Feldweg
und gelangten auf eine Anhöhe. Der Himmel war schwarz und es war so ruhig, dass
sie in der Ferne die Kirchturmuhr des kleinen Bergdorfes schlagen hörten.
Elfmal!
Als riesiger, dunkler Wall türmte sich die Sierra de Guadalupe vor ihnen
auf. Davor vereinzelte Äcker, kleine Anhöhen, Wälder. Sie sahen ein flackerndes
Lagerfeuer vor sich, Zigeunerwagen und Autos. Dunkel zeichneten sich die
Silhouetten der zahlreichen Gestalten um das Feuer und in der Nähe der Wagen
ab.
Larry Brent und Sanchos näherten sich aus der entgegengesetzten Richtung.
Das Lager war ungefähr einhundertfünfzig Meter von ihnen entfernt.
»Bis zu Sarkoms Grab sind es noch gut anderthalb Kilometer«, murmelte
Sanchos, wobei seine Augen seltsam glühten. »Sie halten sich noch erstaunlich
weit entfernt davon auf, als müssten sie ein bestimmtes Ritual erfüllen. Ich
bin bei meinen Ausführungen und Überlegungen immer nur auf Beobachtungen aus
früheren Zeiten angewiesen, Señor Brent«, fügte er hinzu, als müsse er sich
entschuldigen, dass er keine genaueren Angaben machen konnte. »1962, als es zu
den letzten unheimlichen Ereignissen in dieser Gegend kam, war ich leider erst
sechs Jahre alt, sonst hätte ich gewiss schon damals erste Vergleiche gezogen.
Heute wäre alles anders.«
»Hat es vor Ihnen noch keinen gegeben, dem der Turnus der siebenunddreißig
Jahre auffiel?«, fragte Larry erstaunt.
»Es gab welche. Ein Deutscher soll angeblich zu dieser Zeit hier gesehen
worden sein. Er lebte wochenlang in den Wäldern und Bergen. Eines Tages war er
spurlos verschwunden. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört. Ein Dorfbewohner
soll ihn jedoch noch kurz zuvor beim Holzsammeln im Wald getroffen haben. Er
hatte erfahren, dass der Deutsche, den man in den Schriften auch als den Mystiker bezeichnete, einen sehr
verklärten Eindruck gemacht habe.«
»Sind Sie nicht auch ein Mystiker?«
»In gewissem Sinne schon.«
»Ich sehe die Vorfälle mit den Augen des Kriminalisten, Sanchos. Hier sind
Morde passiert. Die Zigeuner hinterließen eine blutige Spur. Könnte es nicht
sein, dass der Name Sarkom nur zum Vorwand genommen wurde, um ...?«
Sanchos wirbelte herum. »Sie betrachten die Dinge zu einfach, Señor Brent«,
stieß er heiser hervor. »Aus Ihren Worten spricht die Unkenntnis.
»Ich versuche, die Dinge logisch zu durchleuchten ...«
»Das dürfte in diesem Fall nicht die einzige Art und Weise sein, um das
Geheimnis zu klären«, widersprach Sanchos. »Offenbar glauben Sie nicht an
unsichtbare Mächte oder ungewöhnliche Erscheinungsformen, wie zum Beispiel
Vampire?!«
»Ich hatte schon manch ungewöhnliches Abenteuer während meines Daseins als
Agent zu bestehen, Sanchos. Es gibt recht ungeheuerliche Dinge auf dieser Welt,
von denen wir uns als Normalsterbliche oft keine Vorstellung machen. Doch in
allen Fällen ließ sich immer eine logische Konsequenz ziehen. Es gab eine
Erklärung, wenn auch oft eine aus dem Reich der Metaphysik.«
»Demnach stimmen Sie mir also zu. Ein Vampir wäre doch auch eine – nach
Ihren Worten – logische
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