019 - Der Sarg des Vampirs
Konsequenz, nicht wahr?«
»In gewissem Sinn ja. Aber kein Vampir, der sich so verhält, wie man es
Sarkom andichtet.« Larry zuckte die Achseln. »Das alles passt nicht in die
Geschichte dessen, was man angeblich in unserer heutigen Zeit über diese
geheimnisumwitterten Schattenwesen, die tot sind und doch noch umgehen, zu
wissen glaubt. Selbst der einfache Leser weiß durch Zeitschriften und Filme,
wie sich ein Vampir normalerweise verhält. Sarkoms Erscheinen aber spricht dem
zuwider. Verwandelte Graf Dracula auf seinem Schloss in den Karpaten nicht die
Menschen in Vampire? Wie aber tritt Sarkom auf? Er tötet – aus Rache für den
Tod, den er erleiden musste!«
Sanchos schluckte. »Vielleicht werden Sie schon bald anders denken.«
Larry gestand sich ein, dass es sinnlos war, dieses Thema weiter zu
diskutieren. Sanchos sah die Dinge mit anderen Augen. Larry aber glaubte in den
komplizierten Ereignissen, die er durch den Herzog de Avilla und auch durch Sanchos erfahren hatte, eine klare Linie erkennen zu können:
Rache – über zwei Jahrhunderte hinweg, mit der Absicht, Angst und Schrecken zu
verbreiten. Der legendäre Sarkom, der Graf seiner Sippe, musste einen
geheimnisvollen Auftrag hinterlassen haben, der sich alle siebenunddreißig
Jahre neu erfüllte.
Sie warfen einen letzten Blick auf die Zigeunergruppe.
Die Männer und Frauen hatten einen Halbkreis gebildet, klatschten
rhythmisch in die Hände, und um das flackernde, helle Lagerfeuer tanzte ein
junges Mädchen von faszinierender Schönheit! Es trug eine weiße Bluse, einen
langen, dunkelblauen Rock, der bis zu den Knöcheln reichte und strahlte eine
enorme Erotik aus. Ihre Tanzschritte wurden immer rascher und ekstatischer.
»Wir müssen gehen. Es ist nicht gut, soviel Zeit zu verschwenden«, sagte
Sanchos.
»Sie haben recht.« Larry folgte ihm. Die Geräusche vom Lager der Zigeuner
verebbten, je näher die beiden dem Wald kamen.
Es war stockfinster. Weder der Mond noch die Sterne leuchteten am Himmel.
Wie ein schwarzes Zelt spannte sich das Firmament über sie.
Der Wald wuchs dicht und undurchdringlich vor ihnen auf.
Trotzdem konnte Larry die unwegsame, ungewöhnliche Landschaft hier an der
Sierra de Guadalupe erkennen. Eines musste er den Zigeunern lassen: Sie hatten
es verstanden, für ihre Zusammenkünfte einen Ort zu wählen, der sicher in der
näheren Umgebung kein zweites Mal zu finden war. Bis zu dem Grab, an dem es
heute Abend zu einem seltsamen Vorfall gekommen sein sollte, waren es noch
wenige hundert Meter. Larry und Sanchos wechselten nur noch einige Sätze.
X-RAY-3 wollte wissen, ob den Ermittlern der örtlichen und übergeordneten
Dienststellen, die die Todesfälle bearbeitet hatten, aufgefallen war, dass
immer dann Mädchen am Biss des rätselhaften Vampirs starben, wenn besonders
viele Zigeuner in dieser Gegend auftauchten.
»Das hat man schon erkannt, man hat auch Untersuchungen angestellt«,
entgegnete Sanchos, schien jedoch mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein.
»Aber es gab niemals einen handfesten Beweis gegen ein Mitglied der Sippe.«
»Keinen Beweis – für die Morde«, murmelte Larry.
Sanchos konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Sie reden immer von Morden,
Señor Brent. Bezeichnen Sie die unglücklichen Wesen als Opfer, dann kämen Sie
den Dingen schon näher.«
Hinter den schwarzen Stämmen zeichnete sich der moos- und unkrautbewachsene
Steinhügel ab. Und ein rechteckiger, erhobener Fleck, der wie vergessen unter
den Wipfeln der dichtstehenden Bäume lag.
Sarkoms Grab! Sanchos blickte sich um und blieb stehen. Larry spürte die
Anspannung und Erregung, unter der der eigenwillige Spanier stand.
»Hier sind die beiden Mädchen gewesen. Es ist kaum anzunehmen, dass wir
noch eine Spur von Francesca finden«, murmelte er wie im Selbstgespräch vor
sich hin. »Doch es würde mich interessieren, auf welche Weise sie verschwand.
Irene sprach von einem Schrei, der direkt aus dem Grab gekommen sei!«
Die Männer untersuchten die Stelle um das Grab eingehend, fanden aber
nichts Ungewöhnliches.
Larry ließ die kleine Taschenlampe, die er stets bei sich trug,
aufleuchten, schirmte aber den Strahl ab, damit er nicht zu stark leuchtete.
»Sie hatte zumindest trotz des Schocks, unter dem sie offenbar stand, noch die
Kraft, eine außergewöhnlich gute Beschreibung zu geben«, sinnierte er. Deutlich
waren die Spuren in der Nähe des Grabes zu erkennen. Aufgewühlter Boden,
auseinandergerissenes Laub.
»Aber wie
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