019 - Der Sarg des Vampirs
standen da wie Säulen. Genau hinter ihnen waren der
Bürgersteig und der Eingang zu dem Bauernhaus, in dem sie Unterschlupf gefunden
hatte.
Irene prägte sich ihre Gesichter und die Kleidung die sie trugen ein –
graue, abgetragene Hosen, helle, aufgeknöpfte Hemden. Dann drehte sie sich
herum, lief los und hörte, wie ihre nackten Füße auf den gepflasterten Boden
klatschten. Die dunklen Schemen der Häuser nahm sie nicht mehr richtig wahr.
Sie rannte panisch in die Nacht hinein, durch die enge, dunkle Gasse. Dabei
schrie die junge Frau, in der Hoffnung, jemand würde sie hören und ihr zu Hilfe
kommen. Doch im Dorf blieb es still. Es war eine unheimliche, unwirkliche
Stille, die da, wo Menschen lebten, nicht sein konnte.
Irgendwo in einer Seitenstraße klappte ein Fenster.
Sofort änderte Irene die Richtung. Vielleicht war doch noch jemand wach.
Sie konnten sich nicht alle verbarrikadiert haben und zulassen, dass auch sie
...
Mit einem Mal spürte sie, dass man sie verfolgte. Ihre Entführer? Sie
drehte sich um.
Da war ein Unbekannter. Mitten auf der Straße. Er trug einen dunkelroten
Umhang und stand da wie aus dem Boden gewachsen. Abrupt bewegte er sich mit
raschen Schritten auf sie zu!
Irene rannte um ihr Leben.
Sie wimmerte und schrie, und sie bemerkte, dass ihr der unheimliche
Verfolger dicht auf den Fersen war. Fast setzte ihr Verstand aus.
Dunkel und gewaltig ragten die mächtigen Umrisse der Kirche vor ihr auf.
Der Turm stieg wie ein Stalagmit vor ihr in die Höhe,
daneben – roh und grau – die Mauer des Kirchhofs.
Totenstille!
Ohne sich umzusehen eilte sie darauf zu.
Der Friedhof, die Kirche ... das Gittertor, dahinter die düsteren
Grabreihen. Zu beiden Seiten des Tores standen prächtige Trauerweiden, deren
Zweige tief herabhingen und fast den Boden berührten.
Irene stürzte zum Eingang der Kirche, fasste die Klinke und fühlte sofort
einen Windhauch neben sich – der Fremde in dem dunkelroten Umhang!
Eine Hand packte sie und zog sie herum. Quietschend schwang die Kirchentür
nach innen. In der Düsternis vor ihr, in einer unerreichbaren Ferne, auf dem
kleinen Nebenaltar, brannte das flackernde, kleine rote Licht. Das ewige Licht.
Als Irene das fremde, unheimliche Gesicht mit den beiden langen Eckzähne
eines Vampirs vor sich sah, schrie sie wie von Sinnen.
Sie war wie gelähmt und unfähig, sich zu bewegen.
Der Unheimliche riss sie an sich. Sie spürte den messerscharfen Stich, als
er zubiss!
Irene taumelte. Die Gestalt, die sich noch eben in ihrer Nähe befand, war
wie vom Erdboden verschluckt. Ihr markerschütternder Schrei hallte schaurig
durch das stille, düstere Kirchenschiff. Sie merkte nicht mehr, dass sie über
den kühlen Steinboden rutschte, dass ihre Kräfte mehr und mehr versagten. Sie
versuchte, sich an einer der Kirchenbänke hochzuziehen, doch sie schaffte es
nicht mehr. Der Blutverlust war zu groß. Stöhnend kroch sie über den Boden.
Sanftes Kerzenlicht spiegelte sich auf ihrem Körper. Sie sah die Kerzen, die in
einem großen Halter standen. Kerzen, die von Gläubigen geopfert wurden zu Füßen
einer kostbaren handgeschnitzten Madonna.
Irene verblutete neben dem schmiedeeisernen Gestänge des langen
Kerzenständers, unter dem Licht dreier noch leicht flackernder Stummel, die in
dem Augenblick verlöschten, als die Spanierin starb.
●
Larry Brent bemühte sich, sofort seine Situation zu erkennen. Er befand
sich nicht mehr in dem Stollen, sondern saß mit dem Rücken gegen eine Holzwand,
mit zusammengebundenen Beinen und auf dem Rücken gefesselten Händen. Es war ihm
unmöglich den Kopf zur Seite zu drehen. Mindestens zwei Männer mussten sich
gleichzeitig auf ihn gestürzt haben, und einer hatte ihm einen Schlag über den
Schädel gegeben.
Larry befand sich in einem Zigeunerwagen.
Er hörte draußen Geräusche – leise Stimmen – verstand aber nicht, was sie
besprachen. Dann knarrten die Stufen vor dem Wohnwagen. Die Tür öffnete sich,
der alte und verschlissene Vorhang wurde zurückgeschlagen. Der grelle Strahl
einer Taschenlampe flammte auf, blendete ihn, so dass er die Lider fest
zusammenpresste.
»Sie haben einen verdammt harten Schädel! Ich hätte gewettet, dass Sie
mindestens noch zwei Stunden außer Gefecht gesetzt sind.« Larry blinzelte und
sah eine dunkle, breitschultrige Gestalt.
»Wo ist mein Begleiter?«, fragte X-RAY-3.
»Nanu, schon wieder so interessiert? Sie sind ein außergewöhnlicher Mann,
in der Tat! Ihrem Freund geht
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