019 - Woelfe in der Stadt
frei«, sagte der Kellner. »Ist Ihnen der recht, Sir?«
Tony nickte.
Das Lokal bestand aus drei Räumen. Der größte lag in der Mitte und war nierenförmig. Die Tanzfläche war klein und wurde von unten her beleuchtet.
Trotz der frühen Stunde war das Nachtlokal schon gut besucht. Der Ober führte Tony an einen kleinen Tisch. Tony setzte sich, bestellte eine halbe Flasche Bourbon, steckte sich eine Zigarette an und sah sich um. Eine Beatgruppe begann zu spielen, und der Ober brachte ihm den Whisky. Die Musik wurde langsam lauter, und Tony fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, sich an eine der Theken zu setzen. Er hatte keine Ahnung, wer ihm die versprochenen Informationen liefern würde.
Nachdenklich griff er nach der Speisenkarte und schlug sie auf. Ein kleiner Zettel fiel heraus. Verlangen Sie Elaine, stand darauf. Tony steckte den Zettel ein und winkte einen der Ober heran.
»Schicken Sie mir bitte Elaine«, sagte er, und der Ober nickte.
Karin Spencer hätte schon da sein sollen, doch er sah das Mädchen nirgends. Pink Poodle war eigentlich nicht ein Lokal, in das ein Mädchen allein ging, doch Karin hatte unbedingt kommen wollen.
Tony sah auf und sah ein Mädchen auf sich zukommen. Sie blieb neben ihm stehen.
»Guten Abend«, sagte sie. »Ich bin Elaine.«
Tony stand auf und rückte ihr den Stuhl zurecht. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Er hatte schon viele schöne Frauen gesehen, aber Elaine zählte zu den schönsten.
Sie war groß, ihr honigfarbenes Haar war kunstvoll zu einem Turm frisiert, ihre Augen waren groß und schienen von innen her zu strahlen, die Nase war klein und edel, der Mund aufregend geschwungen und lud zum Küssen ein. Das leuchtende Weiß ihres tief ausgeschnittenen Kleides betonte die Bronzefarbe ihrer Haut. Das Dekollete enthüllte hoch angesetzte, große Brüste. Als sie sich setzte, teilte sich ihr langer Rock und entblößte wunderbar geformte Beine.
Für Sekunden vergaß Tony den Grund seines Hier seins. Er konnte seinen Blick nicht von dem Mädchen losreißen und erwachte erst aus seiner Erstarrung, als Karin an ihm vorbeiging und ihn böse fixierte.
»Was wollen Sie trinken?« fragte er Elaine.
»Ich halte mit Ihnen mit«, sagte sie und deutete auf die Bourbonflasche.
Der Ober brachte ein Glas und schenkte ein.
Tony unterdrückte seinen Wunsch, gleich Fragen betreffend der Vorfälle des heutigen Tages zu stellen. Er beschloss, vorerst unverbindlich zu plaudern.
»Sind Sie schon lange hier beschäftigt?« fragte er.
Elaine trank einen Schluck und stellte das Glas ab.
»Ich bin hier nicht beschäftigt«, sagte sie. »Ich habe das Lokal vor einer Woche gepachtet.«
»Aber wieso …«
»Sie haben mich wohl für eine Animierdame gehalten«, sagte sie lachend.
Tonys Verwirrung wurde immer größer.
»Um ehrlich zu sein: ja. Seien Sie mir deshalb nicht böse.«
»Bin ich nicht«, sagte sie. »Warum wollten Sie mich sprechen?«
Jetzt kannte sich Tony überhaupt nicht mehr aus. Er holte den Zettel aus der Tasche und zeigte ihn Elaine.
»Woher haben Sie diesen Zettel?« erkundigte sie sich.
»Er lag in der Speisekarte«, sagte Tony. »Haben Sie ihn nicht geschrieben?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf und sah Tony nachdenklich an.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Tony.
»Ich auch nicht«, sagte Elaine.
Der Kellner tauchte auf, verbeugte sich und reichte Elaine ein Kuvert. Das Mädchen riss es auf, las die Botschaft und wandte sich dann an Tony.
»Sie sind Reporter?« fragte sie ihn.
»Ja, von der Daily News«, erwiderte er.
»Ihr Name ist Tony Gordon, stimmt das?«
»Genau.«
»Und Sie wollen Auskünfte von mir.«
»Ja, das stimmt. Doch ich bin nicht sicher, ob Sie mir helfen können.«
»Sagen Sie das nicht«, sagte sie lächelnd. »Vielleicht weiß ich mehr, als Sie glauben.«
»Wissen Sie überhaupt, in welche Richtung mein Interesse geht?«
»Wölfe«, sagte sie. »Sie sind brennend an Wölfen interessiert.«
Das Lokal begann sich immer mehr nicht vorstellen, was dieses Mädchen damit zu tun haben sollte, aber sie schien Verschiedenes zu wissen. »Erzählen Sie!« bat Tony.
»Später«, sagte sie. »Und nicht hier. Ich bin in zehn Minuten wieder zurück. Entschuldigen Sie mich!«
Tony sah ihr verwirrt nach, zündete sich eine Zigarette an und trank noch ein Glas. Dann suchte er Karin, konnte sie jedoch nirgends entdecken. War sie in den Waschraum gegangen? Tony wurde nervös. Das Ganze wollte ihm gar nicht gefallen.
Tony nickte
Weitere Kostenlose Bücher