019 - Woelfe in der Stadt
erreichte er Genoa City und war in Wisconsin gelandet.
Immer wieder hatte er in den Rückspiegel gesehen, ob ihn ein Wagen verfolgte, doch keinen gesehen.
Er fuhr den Highway weiter bis Lake Geneva und bog dort nach links ab. Eine schmale Landstraße führte zum Lake Como, wo er sein Landhaus hatte. Kein Auto war weit und breit zu sehen.
Virgil Martin lächelte erleichtert, als er den See sah. Der Lake Como war kaum fünf Meilen lang und kaum eine Meile breit; ein winziger See, der in einem Talkessel lag, umgeben von uralten Föhren und Tannen.
Die Straße wurde immer schlechter. Er musste langsamer fahren. Fünf Minuten vor vierzehn Uhr hatte er sein Landhaus erreicht. Er stieg aus und sah sich aufmerksam um. Er war allein.
»Ich habe es geschafft«, sagte er halblaut zu sich selbst.
Er holte das Schlüsselbund heraus Und suchte den richtigen Schlüssel. Dann sperrte er auf. Die Tür knarrte etwas – Modergeruch schlug ihm entgegen. In der Diele lag eine dünne Schicht Staub. Keine Fußspuren waren zu sehen.
Er beschloss, sicherheitshalber einmal um das Haus zu gehen und zu überprüfen, ob alle Fensterläden geschlossen waren. Da er keine Spuren entdecken konnte, trat er in die Diele. Auf dem Weg in das große Wohnzimmer öffnete er alle Türen. Die Küche und das Bad waren leer. Im Wohnzimmer war es halbdunkel.
Virgil Martin pfiff vergnügt und ging auf die Fensterfront zu. Als er nach dem Vorhang griff, hörte er hinter sich ein scharrendes Geräusch und drehte sich blitzschnell um.
»Nein!« schrie er. »Nein!«
Rot funkelnde Augen starrten ihn an. Ein riesiger Wolf mit gelben Fängen knurrte ihn böse an.
Virgil Martin stand wie gelähmt da. Der Wolf duckte sich, sprang, erwischte den Mann an der Kehle und biss zu. Martin schlug noch einmal um sich, dann fiel er mit zerfetzter Kehle zu Boden.
Der Wolf schnupperte kurz an dem Toten. Dann drehte er sich um, machte einige Schritte, und plötzlich begann die Luft zu flimmern. Sekunden später war der Wolf spurlos verschwunden.
Die Polizei würde vor einem Rätsel stehen, da die Abdrücke der Pfoten des Wolfes mitten im Zimmer begannen und auch dort wieder endeten.
Karin war noch immer ohnmächtig. Tony überlegte fieberhaft, wie er dem Mädchen helfen konnte. Aus der eben gezeigten Vorstellung des Unbekannten war er nicht recht klug geworden; aber er war sicher, dass es nicht nur Tricks waren, mit denen der Unbekannte arbeitete. Er musste über magische Kräfte verfügen, anders waren einige Dinge nicht zu erklären. Und im Augenblick war er unangreifbar. Aber vielleicht konnte er sich Elaine als Geisel schnappen und so den Unbekannten zwingen, Karin und ihn freizulassen.
Bevor er aber noch zu einem Entschluss gekommen war, handelte der Unbekannte.
Blitzschnell zog er mit der Kreide einen Kreis um Tony.
»Damit Sie nicht auf dumme Gedanken kommen«, sagte er.
»Was soll das?« fragte Tony.
»Das ist ein magischer Kreis, den Sie nicht überschreiten können. Probieren Sie es doch einmal!«
Tony hob den Fuß und stieß gegen einen unsichtbaren Widerstand. Verzweifelt versuchte er, aus dem Kreis zu gelangen, doch ohne Erfolg.
»Das ist Zauberei!« sagte er keuchend.
Der Unbekannte kicherte. »Ich dachte, Sie glauben nicht an magische Kräfte?«
Tony presste die Lippen zusammen.
Elaine und der Unbekannte blieben neben Karin stehen. Elaine tupfte mit einem Wattebausch den rechten Oberarm Karins ab. Der Unbekannte hob die Spritze. Die Flüssigkeit darin war durchsichtig. Er stieß die lange Injektionsnadel in Karins Arm. Das Mädchen bewegte sich nicht. Langsam strömte die Flüssigkeit aus der Spritze.
»Jetzt müssen wir einige Augenblicke warten«, sagte der Unbekannte.
Tony schwieg. Es war sinnlos, den Unbekannten zu beschimpfen oder ihn anzuflehen, Karin loszulassen.
Nach etwa drei Minuten begann Karin sich zu bewegen. Innerhalb weniger Minuten war ihr Körper schweißbedeckt. Sie atmete schwerer und warf den Kopf unruhig hin und her, sonst war keine Veränderung zu bemerken.
»Das Mittel beginnt zu wirken«, erklärte der Unbekannte. »Die Verwandlung dauert drei Tage und ist sehr schmerzhaft. Gleich wird sie zu schreien beginnen.«
Karins Beine begannen zu zucken, dann verkrampften sich ihre Hände. Sie schlug die Augen auf. Weißer Schaum stand vor ihrem Mund. Sie stieß einen leisen Schrei aus, dann noch einen, und schließlich brüllte sie durchdringend.
»So helfen Sie ihr doch!« schrie Tony.
»Ich kann ihr nicht helfen!«
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