0191 - Fenris, der Götterwolf
Glück nicht mehr, so daß ich laufen konnte.
»Wollen Sie wirklich zum Kloster?« fragte uns der Pfarrer.
»Natürlich.«
»Dann werde ich mitgehen.«
»Lassen Sie mal. Wenn Sie uns den Weg erklären, haben Sie uns schon viel geholfen.«
»Wenn Sie meinen.« Der Pfarrer wollte noch etwas hinzufügen, als die Tür aufgestoßen wurde. Zwei Männer drängten in den Raum. Es waren die beiden, die auf dem Friedhof auch den Leichenkarren gezogen hatten. Ihre Gesichter waren blaß, die Augen aufgerissen. Man sah ihnen an, daß sie Angst hatten.
Uns übersahen sie und wandten sich direkt an den Geistlichen.
»Hochwürden!« riefen sie wie aus einem Mund. »Auf dem Friedhof, das frische Grab, wo die Frau, die Leiche, gelegen hat. Das Grab, nein, der Sarg ist zerstört.«
Beide wunderten sich, daß der Pfarrer nickte. »Ich weiß«, erwiderte er. »Ich weiß es, leider.« Er senkte den Kopf und schüttelte ihn gleichzeitig. »Man hat es mir bereits gesagt, Leute. Es ist nichts Neues mehr. Ihr könnt wieder gehen.«
Die Männer warfen einen scheuen Blick auf den toten Wolf. Hinter ihnen drängten sich die Leute aus der Gastwirtschaft. Jeder wollte etwas sehen. Dann sah ich die Uniformen von zwei Polizisten. Die Männer betraten das Hinterzimmer, grüßten und erkundigten sich, was geschehen sei.
Ich wies mich aus, und auch Suko hielt seinen Ausweis hoch. Die Augen der Beamten wurden groß. Obwohl wir in Irland nichts zu melden hatten, besaß Scotland Yard natürlich auch hier einen ausgezeichneten Ruf, und die Beamten erkundigten sich, ob sie etwas für uns tun könnten.
»Ja, Gentlemen. Schaffen Sie den toten Wolf weg. Haben Sie hier einen Abdecker?«
»Nein, aber wir können den Kadaver auch so verbrennen.«
»Dann tun Sie es bitte.«
Das ließen sich die Polizisten nicht zweimal sagen. Gemeinsam schafften sie das tote Tier hinaus. Sie schleiften es dabei über den Boden.
Der Pfarrer hatte noch eine Frage. »Glauben Sie, daß noch mehr Wölfe herumlaufen?«
»Das ist gut möglich«, erwiderte ich. »Vielleicht sollten die Menschen in den Häusern bleiben.«
Der Geistliche nickte. »Ja, ich glaube auch, daß wäre besser. Wirklich.« Er räusperte sich. »Sehen wir uns noch, bevor Sie zum Kloster gehen?«
»Vielleicht. Aber erklären Sie uns sicherheitshalber den Weg.«
Das tat der Geistliche. Nach seiner Beschreibung war das Kloster leicht zu finden.
Unser Optimismus wurde allerdings ein wenig gedämpft, als wir nach draußen kamen.
Es herrschte Nebel.
Und wie.
Hellgrau, wie das Licht der Dämmerung lagen die Schlieren und Schleier über dem Land. Sie krochen und quirlten durch die schmalen Straßen und Gassen, tasteten sich wie mit langen Geisterfingern an den Hauswänden hoch und versuchten, Spukgestalten gleich, in alle offenen Fenster und Löcher zu dringen.
Wir hatten den Bentley nicht vor der Gaststätte abgestellt, sondern dahinter. Dort befand sich ein Platz, wo auch leere Kisten und die großen Mülltonnen standen.
Der Bus war inzwischen verschwunden. Wo er geparkt hatte, war das Unkraut plattgedrückt.
Ich schloß auf. Suko schaute mich dabei fragend an. »Willst du fahren, John?«
»Wieso nicht?«
»Ich denke da an dein Bein.«
»Hör damit auf, mich wie einen Schwerverletzten zu behandeln. Das packe ich schon.«
»War nur ein Vorschlag.«
»Ja, ja, schon gut.« Ich ärgerte mich selbst über die Verletzung.
Das war der Grund, weshalb ich so unwirsch reagiert hatte. Ich startete, legte den Rückwärtsgang ein, schaltete nach wenigen Yards um und hatte den Wagen gedreht. Wir mußten am Gasthaus vorbei.
Die Tür stand weit offen. Menschen drängten sich davor, und es wurden immer mehr. In Windeseile mußte sich herumgesprochen haben, was im Hinterzimmer geschehen war.
Im Schrittempo ließ ich den Bentley rollen. Wir mußten achtgeben, daß wir die Abfahrt nicht verpaßten. Noch vor der Kirche sollte es nach links gehen.
Die Kirche sahen wir. Verschwommen wirkte der spitze Turm.
Das Kreuz darauf war nicht zu erkennen. Seine Umrisse wurden vom dichten Nebel geschluckt.
Der Weg war wirklich schmal. Er führte sanft in die Höhe und wurde von dicht beieinander stehenden Häusern gesäumt. Innerhalb der Nebelschwaden wirkten die Fassaden noch grauer, als sie tatsächlich waren. Hier befand sich der älteste Teil des Dorfes, denn früher hatte man um die Kirche herumgebaut. Hinter einigen Fenstern brannte Licht. Der gelbe Schein wurde allerdings sehr schnell von der grauen Nebelsuppe
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