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0191 - Fenris, der Götterwolf

0191 - Fenris, der Götterwolf

Titel: 0191 - Fenris, der Götterwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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in die Stille tropfen, und die Nonnen starrten sie nur an.
    Keine laute Reaktion, kein Ruf des Erschreckens, kein Aufstöhnen, nur die Angst in den Augen. Und die Frage, ob Clarissa den Pakt eingehen würde.
    Denn sie war bestimmt, das Erbe der anderen zu übernehmen.
    »Ich werde es machen«, sagte sie nach einer Schweigepause. »Ich muß das tun, was uns unser kleiner Orden vorschreibt. Wir haben den Weg gewählt und müssen ihn zu Ende gehen. Die Hölle soll nicht über die Menschen siegen. Durch unser Opfer können wir es verhindern, meine Schwestern.«
    Niemand erwiderte etwas auf die Worte der Äbtissin. Zwei junge Nonnen senkten die Köpfe. Sie waren noch nicht lange im Kloster, man hatte ihnen von der Verpflichtung erzählt, aber so recht glauben hatten sie es nie wollen.
    Bis heute.
    Die beiden wurden auch von Clarissa angesprochen. »Holt die Kerzen, meine Schwestern!«
    Die jungen Nonnen wandten sich ab. Lautlos bewegten sie sich und verließen den Raum.
    Die anderen hatten Fragen.
    »Wie ist sie gestorben?« fragte die ältere Schwester Ursula.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte die Äbtissin. »Ihr Geist verließ plötzlich den Körper des Wolfes, und im Moment stehen die Menschen ohne Schutz da. Das ist schlimm, und es kommt nun darauf an, daß ich mich opfere.«
    »Wo willst du dein Grab haben, ehrwürdige Schwester?« fragte jemand.
    »Ich möchte neben der Äbtissin liegen.«
    »Wir werden alles so machen, wie du es wünschst, Ehrwürdige Schwester«, sagte die Nonne Ursula. Dann begann sie zu weinen.
    Auch die anderen Nonnen weinten.
    Dies geschah fast lautlos. Sie hatten die Köpfe gesenkt, man sah nur das Zucken ihrer Schultern. Die Trauer und der Schmerz waren stark und echt. Die beiden jungen Nonnen kehrten zurück. Zuerst sah man von ihnen nur flackernden Kerzenschein, der bizarre Schatten auf den Boden und die Wände warf.
    In der Tür blieben sie stehen. Sie trugen die langen Kerzen in der rechten Hand. Die Flammen brannten nun ruhig, denn sie wurden durch Glasaufsätze gegen den Wind geschützt.
    Clarissa holte noch einmal tief Luft. »Seid ihr bereit, meine Schwestern?« rief sie.
    »Ja«, antworteten die Nonnen im Chor.
    »Dann laßt uns gehen!«
    Die frommen Frauen bewegten sich und bildeten eine Zweierreihe. An der Spitze gingen die beiden Novizinnen, die auch die Kerzen trugen. Die Dochte brannten, verbreiteten Licht. Und Licht bedeutete Leben, Wiedergeburt, Wiederkehr…
    Sie begannen zu singen.
    Hell waren ihre Stimmen, und die Melodie des Chorals brach sich an den nackten Steinwänden oder wurde als Echo weit durch das große Kloster getragen.
    Sie schickten eine von ihnen in den Tod. Doch dadurch würden andere wieder leben.
    So sah es das Schicksal vor…
    ***
    Suko schüttelte den Kopf. »Verstehst du das, John?« wisperte er.
    Ich hob die Schultern. »Kaum, aber wir werden es bald begreifen, schätze ich.«
    »Warum singen die denn?«
    »Vielleicht, weil sie fröhlich sind.«
    »Glaube ich kaum, mein Lieber. Die machen mir zu ernste Gesichter.«
    »Kannst du doch gar nicht sehen.«
    »Aber raten.«
    Wir stoppten den Dialog, denn jetzt wollten wir sehen, was weiter geschah.
    Die Nonnen kamen auf uns zu. Sie sahen gespenstisch aus. Die langen Gewänder wurden von den Nebelschwaden umwallt, und es sah aus, als würden zahlreiche lange Arme nach den durch den Nebel gehenden Gestalten greifen. Sie krochen an ihnen hoch, wanden und drehten sich, formten seltsame Figuren und erinnerten dabei an gespenstische Lebewesen.
    Wir hatten uns geduckt, denn wir wollten nicht schon sofort gesehen werden. Wenn sie noch weiter auf uns zugingen, mußten wir zurück.
    Das war nicht der Fall. Die seltsame Prozession schwenkte ab. Die beiden ersten Nonnen hielten Kerzen in den Händen. Die Kerzen selbst waren in dem dichten wallenden Grau kaum auszumachen, so daß es aussah, als würden die Lichter in der Luft schweben.
    Auch der Gesang verstummte.
    Während die Nonnen an uns vorbeigingen, hörten wir nur ihre Schritte. Wir konnten nicht erkennen, welche Schuhe sie trugen, sondern vernahmen nur schmatzende Geräusche, da der Boden ziemlich weich war. Es mußte in den letzten Tagen stark geregnet haben.
    Als die beiden letzten Nonnen vom Nebel verschluckt wurden, stieß ich Suko an.
    So leise wie möglich schritten wir hinter der seltsamen Prozession her. Wir waren wirklich auf das Ziel gespannt, und die Nonnen näherten sich dem dunklen Waldsaum, den wir als welligen Umriß bei unserer Ankunft entdeckt

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