0192 - Hotel zur dritten Hölle
selbst erschossen hatte.
An Costello selbst kam man nur heran, wenn man Glück hatte.
Deshalb versuchten wir es mit der Maulwurfstaktik. Wir wollten sein gewaltiges Imperium aushöhlen, und dieser Harry del Rio stand auch auf Costellos Gehaltsliste. Vielleicht kamen wir über ihn an seinen Meister heran.
Eine feine Adresse hatte sich der gute Harry ausgesucht.
King’s Road!
Die Straße der Boutiquen und Läden. Und nicht zu vergessen der große »Antiquarius Chelsea Antique Market«. Dieser Komplex beherbergt allein 150 Geschäfte. Ein regelrechter Wahnsinn. Aber die Leute kauften, vor allen Dingen die Touristen.
In der Straße selbst würden wir kaum einen Parkplatz finden. Deshalb fuhren wir auf einen öffentlichen, der nahe dem Sloane Square liegt. Hier bekamen wir den zweitletzten, ziemlich in der Ecke und fast zu klein für meinen Bentley.
Ein paar hundert Yards mußten wir schon zu Fuß gehen, aber das machte nichts, denn auch meinem Bein ging es inzwischen schon sehr viel besser.
In der King’s Road ist immer was los. Tagsüber kaufen die Leute ein.
Abends, wenn sich die Dunkelheit über die Stadt gelegt hat und Tausende von Lichtern brennen, dann versammeln sich zahlreiche Schaulustige in der berühmtesten Straße Chelseas, um einen Schaufensterbummel zu machen.
Jetzt hatten wir Tag.
Gegen wahre Touristenströme mußten wir ankämpfen. In der Nähe gab es einen Parkplatz für Busse. Er war Tag und Nacht frequentiert. Die Reisegesellschaften brachten ihre Kunden dorthin, damit sie das London kennenlernten, von dem sie zu Hause nur immer gelesen oder gehört hatten.
Wir fanden Harry del Rios Studio in einem Haus, das in der unteren Etage eine Boutique beherbergte. Sie war sehr nobel, und ebenso nobel waren die Preise, wie wir im Vorbeigehen feststellten. Neben der Eingangstür zum Laden gab es eine zweite, die keinen goldenen Griff besaß, sondern nur einen Knauf. Die Tür wurde erst geöffnet, nachdem man geklingelt und seine Wünsche über eine Sprechanlage vorgetragen hatte.
Ich schellte.
Erst einmal tat sich überhaupt nichts. Schließlich meldete sich eine nasal klingende Stimme, von der ich nicht einmal wußte, ob sie einem Mann oder einer Frau gehörte.
»Sie wünschen bitte?«
»Zu Mr. del Rio!«
»Sind Sie angemeldet?«
»Nein!«
»Och, dann tut es mir sehr leid, aber Harry empfängt…«
»Uns wird er empfangen, Meister. Wir sind nämlich von Scotland Yard. Wenn nicht, bekommt er eine Vorladung, und die nimmt sicherlich mehr Zeit in Anspruch als unser kurzes Gespräch.«
»Warten Sie, ich werde sehen, was sich machen läßt.«
Wir warteten. Suko schaute demonstrativ auf seine Uhr. Vor uns liefen die Menschen in Scharen über den Gehsteig, auf der King’s Road selbst fuhren die Wagen Stoßstange an Stoßstange.
Der Sprecher meldete sich nicht mehr, dafür jedoch hörten wir ein Summen.
Ich drückte die Tür auf. Der Weg war frei.
Große, bis an die Decke reichende Spiegel in einem Marmortreppenhaus, das hatte ich auch noch nicht gesehen. Die hellen Stufen waren mit einem roten Läufer belegt. Durch ein großes Fenster am ersten Treppenabsatz fiel Licht.
Aus der Boutique hörten wir gedämpfte Musik, die immer lief, damit die Kunden kauften.
Wir mußten in den ersten Stock. Ein dezentes Schild wies uns auf die Räume des Studios hin.
Nebeneinander schritten wir, über den Teppich. Das Geländer besaß einen sehr dicken Handlauf. Das war beste Wertarbeit, wie ich sofort feststellte.
In der ersten Etage wohnte und arbeitete niemand mehr außer Harry del Rio. Die sehr breite Tür mit dem kostbaren Glaseinsatz war weit geöffnet, und auf der Schwelle stand ein Knabe, der mich an einen Papagei erinnerte.
Lila Hosen, oben weit, unten eng, und einen gelben Pullover, dessen Farbe so grell war, daß sie schon fast den Augen schmerzte. Der Jüngste war der Knabe allerdings nicht mehr, denn sein Haar wies bereits einen starken Grauschimmer auf. Seine Gesichtszüge zeigten genau die Solariumbräune, die man haben mußte, um »in« zu sein. Ich kam mir dagegen wie ein Bleichgesicht vor, aber ich war auch nicht »in«.
»Dann sind Sie die Herren von der Polizei?« Es war also doch ein Mann, der uns erst nicht hineinlassen wollte.
»Ja, gewiß.«
»Mr. del Rio hat sich ein paar Minuten Zeit genommen. Wenn Sie die Güte haben, mir zu folgen?«
Wir hatten die Güte.
Himmel, war der Knabe warm. Da konnte man sogar eine Heizung im Winter sparen.
Er tänzelte vor durch einen Gang, an
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