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0192 - Vorm Sterben einen Drink

0192 - Vorm Sterben einen Drink

Titel: 0192 - Vorm Sterben einen Drink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vorm Sterben einen Drink
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Abständen flammte es auf und erlosch wieder. Ich versuchte, einen Sinn in die Blinkzeichen hineinzudeuten, aber nach einiger Zeit gab ich es auf. Vom Morsealphabet hatte der Knabe, der da draußen hinter seiner Lampe saß, noch nie etwas gehört. Oder war es ein neues System, das sie sich selbst ausgeknobelt hatten.
    Das Boot entfernte sich langsam. Die Ruder plätscherten leise, wenn sie ins Wasser tauchten. Als einige Wolken den Mond verdeckten, war es plötzlich so finster, daß man überhaupt nichts mehr erkennen konnte.
    Und genau in diesem Augenblick hupte vorn auf der Straße ein Auto zweimal kurz und einmal lang.
    Sollte vorn auf der Straße auch noch etwas los sein? Ich richtete mich wieder auf und raunte Phil ins Ohr:
    »Kümmere du dich darum, was vorn auf der Straße vor sich geht!«
    »Okay«, erwiderte mein Freund leise und verschwand im Schatten der hohen Hecke. Bald darauf hörte ich ein leises Rauschen und Kratzen der Zweige, als er sich durch die Lücke zwischen dem Zaunpfeiler und der Hecke hindurchschob.
    Ich legte mich wieder ins Gras und vertrieb mir die Zeit. Eine Wolkenwand hatte sich genähert, ohne daß wir es gemerkt hatten. Bis sie den Mond wieder freigab, konnten fünf Minuten vergehen.
    Es war auf einmal so stockdunkel, daß man kaum die eigene Hand sehen konnte, selbst wenn man sie dicht vor die Augen hielt.
    Ich wollte mich etwas bequemer zurechtlegen, als ich mit der rechten Hand gegen etwas Hartes stieß. Erschrocken zuckte ich zurück. Aber es regte sich nichts. Behutsam und mit ausgestreckten Fingern tastete ich wieder in die Richtung.
    Meine Fingerspitzen stießen gegen etwas Knorriges, Feuchtes, Glitschiges. Erst nach einiger Zeit hate ich heraus, daß es eine starke Wurzel entweder von der Hecke oder von der Eiche sein mußte, die nur ein paar kurze Schritte entfernt stand.
    Beruhigt hatte ich die Wurzel schon wieder losgelassen, als mich plötzlich der Teufel ritt.
    Ich packte die Wurzel mit beiden Händen und zog mit aller Kraft. Sie gab nicht einen Millimeter nach. Ich kniete mich nieder, stemmte die Füße in den Rasen und probierte es noch einmal. Sie rühte sich nicht, aber ich rutschte mit den Händen von der feucht-glitschigen Rinde ab.
    Mit dem Taschentuch rieb ich mir die Hände wieder trocken — und sogar die Wurzel. Und dann riskierte ich es einfach. Ich packte die Wurzel mit beiden Händen und schob mich so weit vor, daß ich mich über den Rand des Uferabhangs hinabgleiten lassen konnte. Irgendwo lösten sich ein paar Steine und klatschten in das Wasser tief unter mir, aber ich selbst hing an der Wurzel, ohne daß sie auch nur das leisestes Stück nachgegeben hätte.
    Vorsichtig stemmte ich die Füße gegen die Uferwand. Ein paarmal rutschte ich ab, aber endlich war es mir gelungen, mich so weit zu Meelsons Seite hinüberzuschieben, daß ich ein Bein auf seiner Seite des Gartens hinaufbekam. Ein Klimmzug brachte mich hoch, ich ließ mit der linken Hand los und krallte mich in den Rasen. Zwei Sekunden später lag ich schnaufend auf festem Boden.
    Ein paar Atemzüge gönnte ich mir Ruhe. Auf äußerste Geräuschlosigkeit bedacht, huschte ich von Busch zu Busch, jetzt von einem Baumstamm zum anderen. Jetzt hätte ich es lieber gehabt, Meelsons Fenster wären nicht so hell beleuchtet gewesen, aber es gab in seinem Garten zum Glück wenigstens genug Bäume und Büsche aller Art, so daß man überall eine Deckung fand.
    Es gelang mir, bis an den Rand der Bucht zu kommen, die in Meelsons parkartigen Garten einschnitt. Ich suchte mir eine Stelle hinter einem Strauch, der mich gegen Sicht vom Hause her schützte, und legte mich wieder flach auf den Bauch. Auch die Wand der Bucht fiel senkrecht hinab zur Oberfläche des Flusses und wahrscheinlich noch tiefer. Aber aus dieser Wand ragte etwas Dunkles, Großes heraus, das ich in der Finsternis nicht erkennen konnte.
    Eine ganze Weile lag ich still und lauschte, aber nichts war zu hören außer einem gelegentlichen Plätschern der Wellen.
    Ich überlegte lange Zeit, aber endlich siegte die Neugierde. Ich holte meine Taschenlampe aus der Rocktasche hervor und schirmte sie mit der Hand ab. Gespannt ließ ich den Lichtstrahl hinab in die enge Bucht fallen.
    Und da war des Rätsels Lösung. Unten stand eine Tür weit offen und ein Gang verschwand in dem felsigen Untergrund. Das Wasser spülte in den Gang hinein. Hinter dieser Tür hielt Meelson also das Boot verborgen das vorhin so plötzlich aus der Bucht heraus aufgetaucht

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