0192 - Vorm Sterben einen Drink
ich standen auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Schatten einiger niedriger Alleebäume. Wir rauchten eine Zigarette, die wir in der hohlen Hand verbargen, und beobachteten Meelsons Haus.
Als es irgendwo in der Nähe zwei schlug, ließ ich meine Zigarette fallen und trat sie aus.
»Komm!« sagte ich halblaut. »Wir wollen uns auf die Strümpfe machen. Es ist sinnlos, darauf zu warten, daß Meelson ins Bett geht. Wenn er um zwei noch Licht hat, kann es auch um vier noch brennen.«
»Okay«, erwiderte Phil und warf seine Zigarette ebenfalls weg. »Wie wollen wir vorgehen?«
»Ich schlage vor, daß wir vom Fluß aus versuchen, auf Meelsons Grundstück zu kommen.«
»Wir können es ja versuchen«, meinte Phil. Es klang nicht sehr hoffnungsvoll.
Nach einem letzten prüfenden Blick auf die leere Straße überquerten wir die Fahrbahn. Der weiche Rasen dämpfte unsere Schritte zur vollkommenden Geräuschlosigkeit. Nur ab und zu hörte man von hinten aus der Finsternis das leise Plätschern einer Welle, die sich am Ufer brach.
Geduckt gingen wir an der Hecke entlang, bis wir jenen Drahtzaun erreicht hatten. Wir blieben stehen und betrachteten die Umgebung, die im Mondlicht kaum zu erkennen war.
Rechts von uns zog sich die Hecke hin, an der wir entlanggegangen waren. Genau vor uns stand der Zaun.
Ich bückte mich und tastete mit den Händen am Pfeiler des Zaunes hoch.
Es gab eine schmale Lücke zwischen der Hecke und dem Zaun. Wenn man sich kräftig genug in die Hecke hineindrückte, mußte es möglich sein, an dem letzten Zaunpfeiler vorbeizukommen. Die Äste der Hecke kratzten mir Hals und Gesicht, aber es ging. Phil kam nach. Wir standen auf dem schmalen Grasstreifen zwischen dem Zaun und der abfallenden Uferwand.
Ich beugte mich vor. Renner hatte Recht gehabt. Fast sechs Meter tief stürzte die Wand senkrecht hinab.
Unten plätscherte der Fluß.
Ich legte mich auf den Bauch und schob mich so weit vor, daß ich mit dem Kopf über das Ende der Hecke hinausblicken konnte.
Drüben auf Meelsons Grundstück lagen die Dinge nicht anders. Auch hier war die Uferwand steil und von gleicher Höhe. Allerdings bildete diese Steilwand in Meelsons Garten hinein eine kleine Bucht.
Vorsichtig schob ich mich wieder zurück und richtete mich auf. »Wenn der Fluß eine Beziehung zwischen diesem Haus und dem Speicher am Hudson herstellt«, murmelte ich dicht an Phils Ohr, »dann soll der Teufel wissen, welche. Kein Motorboot kann an einer solchen hohen Wand anlegen. Und von einer Treppe ist drüben nichts zu sehen.«
»Dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als wieder nach Hause zu fahren«, erwiderte Phil leise. »Oder was willst du hier sonst noch tun?«
Tja, was sollte man noch tun? Ich hatte gehofft, hier irgend etwas Interessantes zu entdecken, aber bis jetzt hatten wir nichts gefunden außer der Tatsache, daß Gras von Tau befallen wird, je länger die Nacht vorschreitet.
Schon wollte ich mich enttäuscht an den Rückzug machen, als ich drüben in Meelsons Garten plötzlich eigenartige Geräusche hörte. Sie klangen, als ob eine schwere Tür geöffnet wird und leicht in den Angeln quietscht. Merkwürdig an diesem Geräusch aber war, daß es von unten, gleichsam aus der Erde, zu kommen schien.
Phil stieß mich an. Ich nickte wortlos. Irgend etwas ging vor.
Ich legte mich wieder flach auf den Bauch und reckte den Kopf so weit über die abfallende Uferwand vor, daß ich an der Hecke vorbei nach drüben blicken konnte.
Aber es war nichts zu sehen. Selbst nach hinten hinaus waren in Meelsons Haus alle Fenster erleuchtet, so daß man den Garten beinahe in Tageshelle vor sich sah. Trotzdem sah ich nichts von einer Tür. Dafür hörte man jetzt deutlich Stimmen. Zwar konnte man sie nicht verstehen, aber die Stimmen zweier Männer waren doch deutlich zu unterscheiden. Wasser plätscherte. Und auf einmal schob sich aus der kleinen Bucht, die in Meelsons Garten hineinragte, ein Boot heraus aufs Wasser des Flusses.
Ich wünschte, ich hätte ein gutes Nachtglas bei mir gehabt. Der Mond war nicht so hell, daß man die Gestalten in dem Boot anders denn als bloße Umrisse hätte erkennen können. Plötzlich fühlte ich, wie mich Phil anstieß. Ich zog mich wieder zurück und wandte den Kopf.
»Was ist los?« fragte ich leise.
»Draußen! Auf dem Fluß!«
Ich hob den Kopf und blickte über die samtschwarze Oberfläche des Hudson hinweg. Jetzt sah ich es auch. Ein Blinkzeichen wurde gegeben. In rhythmischen
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